kabinenpredigt : Die Überall-WM
Die Entscheider sind im Urlaub, sie grübeln noch und niemand weiß, was hinten rauskommen wird. Wird sie nun für die Zeit der WM gesperrt oder nicht, die Straße des 17. Juni. Die Frage, wo die offizielle Berliner Leinwand zum Schauen der offiziellen Fifa-Fußball-WM 2006 stehen wird, soll erst Ende des Monats geklärt werden. Ja, wie lange sollen die Fans denn noch warten, bis sie endlich wissen, wo sie sich in der Einsamkeit eines überfüllten Festplatzes ein WM-Spiel zwischen Ecuador und der Ukraine auf Großleinwand anschauen sollen?
Wieder einmal kann Berlin nicht mithalten, die Hauptstadt ist wieder einmal Letzter. Die anderen WM-Städte haben die Orte für die weltmeisterlichen Riesenfernseher bereits bestimmt – sogar Kaiserslautern, obwohl dieses Örtchen im Vergleich zur Metropole Berlin eigentlich hintan zu stehen hat. Fans stellen sich die bange Frage, wie lange die da oben denn noch brauchen, um endlich die wirklich drängenden Probleme der Stadt zu lösen.
Derweil dringt aus München die Kunde vom Scheitern etlicher Projekte der bayerischen WM-Task-Force. Ein geplantes WM-Musical wurde abgesagt, weil befürchtet wurde, es könnte zu schlecht werden. Ein Großkonzert dreier Münchner Großorchester auf einer Großbühne steht ebenfalls auf der Kippe. Köpfe rollen. Der Chef der Task Force wurde gefeuert. Ganz München versinkt im Chaos. Derartige Nachrichten hört man natürlich gerne in Berlin. Die Bayern können es also auch nicht besser da unten, dann brauchen wir uns hier oben auch nicht so ins Zeug zu legen.
Zumal sich auch schon Experten aus der Mobilfunkbranche zu Wort gemeldet haben. Die rechnen fest damit, dass die Fußball-WM dem so genannten Handy-TV zum Durchbruch verhelfen werde. Es wird also gar nicht nötig sein, eine Großleinwand zu errichten. Es muss lediglich ein Platz ausgewiesen werden, auf dem sich die Fans treffen, um gemeinschaftlich auf die Displays ihrer Mobiltelefone zu schauen. Vielleicht ist es ohnehin besser, wenn gar kein Platz dafür gesperrt wird. Um den mobilen Charakter der Mobiltelefontelevision zu unterstreichen, könnte man sich darauf einigen, dass es überall in der Stadt erlaubt sein soll, die WM via Handy-TV zu verfolgen. Berlin sollte eine Task Force bilden, um zu einer Entscheidung zu kommen, indem man einfach gar nichts entscheidet.
ANDREAS RÜTTENAUER