kabinenpredigt : Exklusiver Blick in marodes Rund
Es ist bizarr. Erst vor kurzem wurde bekannt, dass dem Stadion des 1. FC Union Berlin eine baupolizeiliche Sperre droht. Die alte Försterei, verkündete Joachim Stahr (CDU), Sportstadtrat des Bezirks Treptow-Köpenick, müsse nämlich dringend saniert werden. Etwa zur selben Zeit stellte der Verein gerade seine VIP-Lounge im Stadion fertig. Eine exklusive Nische auf einer maroden Anlage, direkt hinter der Haupttribüne. Am letzten Freitag präsentierten die Vereinsoberen anlässlich des Saisonbeginns stolz der Presse den Stahlbau.
Dass das Ganze als Provisorium gedacht ist, verschwieg man dabei nicht. Der Aufsteiger in die Regionalliga beabsichtigt mit Hilfe privater Investoren an der alten Försterei ein Stadion bauen zu lassen, das Platz für bis zu 30.000 Menschen und 25 Business-Logen bietet. Zu diesem Zweck plant man das Gelände vom Land Berlin für einen symbolischen Preis aufzukaufen. Der Senat sieht sich nicht einmal imstande, die derzeit erforderlichen Sanierungskosten des Geländes zu stemmen.
Bis die neue Arena steht, will Union Berlin potenziellen Geldgebern in seinem baufälligen Stadion eine Insel der Glückseligkeit bieten. Auf einer Schautafel in der Lounge wird das „hochwertige Ambiente“, das „exklusive Büfett“ sowie die „erstklassige Sicht auf die Ehrentribüne und das Spielfeld“ gepriesen.
All das hat natürlich seinen Preis. So kostet der Tisch für eine Saison 25.000 Euro. Dafür kann man von exponierter Stelle Teams wie Kickers Emden, den SV Wilhelmshaven oder die zweite Mannschaft von Bayer Leverkusen begutachten. Zumindest über zwei Drittel der Rasenfläche. Die Sicht aufs Spielfeld ist nämlich keineswegs erstklassig. Aber das ist bei drittklassigen Begegnungen vielleicht auch nicht so schlimm.
Johannes Kopp