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Archiv-Artikel

kabinenpredigt Traumtrainer

Hertha hat seinen Traumtrainer gefunden. Am Samstag verkündete Manager Dieter Hoeneß vor der Presse die frohe Botschaft. Lucien Favre vom FC Zürich wird ab nächster Saison das Berliner Team betreuen. Er passe „hundertprozentig zu Hertha“, triumphierte Hoeneß.

Er erkor Favre zu seinem Wunschtrainer, lange bevor dieser überhaupt zugesagt hatte. Das wäre beinahe gründlich schiefgegangen. Denn wie bekannt wurde, kam Favre Mitte vergangener Woche ins Grübeln, ob er vielleicht nicht doch besser zum FC Zürich passe. Im Falle seiner Absage wäre Carsten Heine weiterbeschäftigt worden. Schon seit einiger Zeit wurde Heine in aller Öffentlichkeit als Notlösung hingehalten. Seine Autorität wurde von Vereinsseite so systematisch untergraben, dass eine Fortsetzung seiner Arbeit von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen wäre.

Nun ist ja noch einmal alles gutgegangen. Favre kommt, obwohl er mit dem Schweizer Meister FC Zürich in der Champions League hätte spielen können. Dafür verdient er in Berlin dem Vernehmen nach dreimal so viel wie zuvor. Man könnte sagen, er hat sich für das Geld und gegen die sportliche Perspektive entschieden. Das kann Hoeneß normalerweise überhaupt nicht leiden. Aber natürlich spielt das Geld nur eine untergeordnete Rolle, wie Favre versichert.

Zweifellos ist es Hertha gelungen, einen interessanten Mann zu verpflichten. Überall, wo Favre trainierte, wurden trotz bescheidener finanzieller Mittel außergewöhnliche Erfolge erzielt. Allerdings stellte sich der Erfolg oft erst nach geraumer Zeit ein. Das könnte zu einem Problem bei Hertha werden.

Hier hat noch niemand etwas in Ruhe aufbauen können. Hoeneß hat Favre zwar versprochen, dass man ihm die nötige Zeit geben wird, doch auf ein Bündnis mit Hoeneß sollte sich der neue Trainer nicht verlassen. Schlittert der Verein in die nächste Krise, wird Hoeneß als einer der Ersten zu Disposition stehen. Eines kann Favre jedoch hoffnungsfroh stimmen: Grauenvoller als Hertha zuletzt kickte wird das Team kaum spielen können. JOHANNES KOPP