juniorprofessur : Im Zweifel gegen Bildung
Wären sie doch etwas vorsichtiger gewesen. Jetzt müssen die frisch berufenen Juniorprofessoren erfahren: Wer etwas Neues wagt in diesem Land, der wird dafür bestraft. Nachdem die Verfassungsrichter gestern das einschlägige Bundesgesetz gekippt haben, steht der Nachwuchs vor einer höchst ungewissen Zukunft. Dürfen junge Wissenschaftler den Traum von eigenständiger Lehre und Forschung wieder auf das Alter jenseits der 45 Jahre verschieben? Müssen sie doch wieder eine dickleibige Habilitationsschrift verfassen? Können sie noch in ein anderes Bundesland wechseln?
KOMMENTAR VON RALPH BOLLMANN
Von solchen Fragen ließen sich die Verfassungsrichter offenkundig nicht beeindrucken. Warum auch? Schließlich hat jeder Zweite von ihnen in eigener Sache geurteilt, weil er als Rechtsprofessor die Ochsentour der Habilitation einst selbst durchlief. Im Zweifel für den Ordinarius, so lautete schon bisher das kuriose Rechtsprinzip, das Karlsruhe in allen Fragen von Forschung und Lehre zur Anwendung brachte. Und bundesweit hat keine Disziplin die Juniorprofessur so zögerlich eingeführt wie die konservativen Jurafakultäten.
Jetzt haben also wieder die Länder das Wort, denen die Bildungspolitik als letztes ureigenes Feld verblieben ist. Einmal mehr nutzen sie diese Macht nur zum Blockieren, nicht zum Gestalten. Ob nach dem Pisa-Schock, bei den Ganztagsschulen oder jetzt bei der Juniorprofessur: Immer haben es die Länder verstanden, längst fällige Neuerungen zu verhindern oder wenigstens zu bremsen. Selbst das Geld, das ihnen der Bund in all diesen Fällen anbot, schlugen sie starrsinnig aus. Dabei hätten sie es bitter nötig gehabt.
Es ist kein Zufall, dass die Probleme in Deutschland just dort am größten ist, wo die Länder am meisten zu sagen haben. Die Bilanz des deutschen Bildungsföderalismus fällt nach mehr als einem halben Jahrhundert verheerend aus: fehlende Kinderbetreuung, mangelnde Chancengleichheit im Bildungssystem, schlechte Aussichten für den wissenschaftlichen Nachwuchs an den Hochschulen.
Deshalb ist nach dem Karlsruher Urteil jetzt die Berliner Föderalismuskommission gefragt, die das Verhältnis von Bund und Ländern neu regeln soll. Dort müssten die Länder ihrer Entmachtung allerdings selbst zustimmen, und das werden sie kaum tun. Auf der Strecke bleiben Schüler, Studenten, Wissenschaftler – und die Zukunft dieses Landes.