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Archiv-Artikel

irlands neuester kulinarischer revolutionär: schinken-peter von RALF SOTSCHECK

Mein Freund Klaus-Thomas Mann ist ein lukullischer Magnet: Im Umkreis von 120 Kilometern zieht er alles an, das mit gutem Essen und Trinken zu tun hat – und umgekehrt: Wo immer ein organisches Lamm geschlachtet, eine Flasche Red Breast Whiskey entkorkt wird, ist Klaus-Thomas dabei. Seit er vor drei Jahren an die irische Westküste gezogen ist, arbeitet er emsig daran, das gastronomische Niveau der ganzen Region zu heben. Er importiert Brezeln, Wurst und Wein, und wenn er Gäste bekocht, endet das stets in einem Gelage bis zum Abwinken.

Neulich war er auf dem Weg nach Galway, als er eine Würstchenbude entdeckte. „German Sausages“ versprach die Reklametafel. Berliner Currywurst in einem irischen Straßendorf? Klaus-Thomas ging der Sache auf den Grund. Zwei missmutige Wurstbrater standen in dem Würstchenwohnwagen. Der eine, Schinken-Peter, hatte schlechte Laune, weil er in acht Stunden eine einzige Wurst verkauft hatte. Der andere, Schwager Herbert, war depressiv, weil er in Irland keinen Jägermeister finden konnte.

Beide hatten eine letzte Hoffnung. Der einzige Kunde hatte ihnen den Tipp gegeben, sich von einem Experten beraten zu lassen. Schinken-Peter kramte einen Zettel aus der Tasche. „Der Typ heißt Klaus-Thomas Mann und weiß alles über Essen. Er soll ganz in der Nähe wohnen.“ Klaus-Thomas fuhr mit seinem Fiat 500 voran, die Würstchenbude mit Schinken-Peter und Schwager Herbert im Schlepptau. Zu Hause flößte man Herbert zunächst eine Flasche Jägermeister aus der Hausapotheke ein, was dessen Stimmung vorübergehend hob, aber zügig ins Koma mündete. Klaus-Thomas und Schinken-Peter, der den Spitznamen seinem preisgekrönten Holsteiner Schinken verdankt, schmiedeten unterdessen Pläne für eine kulinarische Revolution in Westirland. Das Fest zur Besiegelung der Wurstbruderschaft war der Test. Die irischen Gäste, gewöhnt an schlaffe Ware, die wie Kondome mit Sägespanfüllung aussieht, waren zunächst misstrauisch, verfielen aber der ausländischen Wurstvariation mit zunehmendem Alkoholgenuss.

Das ermutigte die Wurstmissionare zu tollkühneren Plänen. Sie gründeten ein Unternehmen und nannten es „Saumagen Unlimited und Schinken-Peter“. Klaus-Thomas stammt nämlich aus der Saumagen- und Brezelmetropole Speyer, wo man solche Schweinereien isst. Mit der Würstchenbude geben sich die Jungunternehmer aber nicht zufrieden, sie setzen auf Expansion: Schinken-Peter besitzt ein Festzelt mit Profiküche und Platz für 150 Leute, das nun auf dem kleinen Platz vor Klaus-Thomas‘ Haus in Bell Harbour aufgebaut wird. Den ganzen Sommer über wird es an den Wochenenden Mahlzeiten mit Musik geben.

Und die Nachbarn? „Die sind doch immer die Letzten, die nach meinen Festen im Morgengrauen nach Hause wanken“, meint Klaus-Thomas. „Künftig können sie gleich im Zelt bleiben und eine Currywurst mit einem Weizenbier zum Frühstück einnehmen.“ Die Ärzte werden später einmal rätseln, warum die Leberwerte von Bell Harbour weit über dem Landesdurchschnitt liegen. Wahrscheinlich werden sie die englische Atomanlage Sellafield dafür verantwortlich machen.