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Archiv-Artikel

interview „Zu dünne Flöze“

taz: Herr Thierbach, die BVG hat Kohle unter dem Pariser Platz gefunden. Ein Glücksfall für Berlin?

Jens Thierbach: Soll ich da jetzt wirklich was zu sagen?

Ja, bitte.

Zunächst: Dass in unserem Boden auch Braunkohle vorkommt, ist bekannt. Unter Berlin finden wir geologisch junge Schichten des Quartär, des Eiszeitalters, und des Tertiär, also der Braunkohlezeit. Diese Schichten gibt es auch in den bekannten Kohlerevieren in der Lausitz oder bei Halle und Leipzig. Kohleablagerungen sind in der Region also die Regel.

Wie ist die Braunkohle entstanden?

Vor 60 Millionen Jahren lagen hier riesige Sumpfgebiete. Das Klima war schwül-warm, darin wuchsen längst ausgestorbene Baumarten oder Riesenfarne. Die abgestorbenen Pflanzen haben sich in Schichten abgelagert, Flüsse schwemmten diese mit Sand zu. Im Laufe der Zeit bewirkt dann der Druck des Sediments die so genannte Inkohlung. Erst entsteht Torf, später Braunkohle. Warten Sie noch 200 Millionen Jahre, und sie haben unter dem Pariser Platz Steinkohle wie im Ruhrgebiet.

Warum hat Berlin seine Kohle nie genutzt?

Es gab zumindest den Versuch. Während der Blockade 1948 und 1949 hat man zum Beispiel in Reinickendorf bis zu 100 Meter tief gebohrt, um Flöze zu orten. Zum Abbau selbst ist es nach diesem Braunkohleerkundungsprogramm aber nie gekommen.

Zur Eingangsfrage: Kann sich Berlin durch den aktuellen Fund finanziell sanieren?

Nein. Zwar gibt es überall unter Berlin Flöze, sie liegen im Schnitt aber zu tief für einen ökonomischen Abbau – so 50 bis 100 Meter. Außerdem sind sie zu dünn, manchmal nur einen Dezimeter.

Unter dem Pariser Platz sind es immerhin fünf Meter.

Das sind aber Wechsellagerungen von schlechter Qualität. Die Kohle ist dann mit Schluff oder Ton vermischt. Ich muss Sie leider enttäuschen. INTERVIEW: ULRICH SCHULTE

Jens Thierbach, 62, leitet den geologischen Dienst der Stadtentwicklungsbehörde