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interview zur US-Bankenkrise"Aus dem Crash von 1930 gelernt"

Die USA scheuen selbst vor Verstaatlichungen nicht zurück, um die Bankenkrise zu überwinden. Eine "Kernschmelze" des globalen Finanzsystems ist unwahrscheinlich, so Ökonom Sebastian Dullien.

Auch in den USA greift der Staat durch, wenn's darum geht, das Finanzsystem vor dem Kollaps zu retten. Bild: dpa

taz: Herr Dullien, viele Experten sehen schon die größte Bankenkrise seit 1930 heraufziehen. Sie auch?

archiv

SEBASTIAN DULLIEN, 32, ist Professor für Volkswirtschaft an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Zuvor arbeitete er sieben Jahre lang als Redakteur bei der Financial Times Deutschland. 2007 war er zudem als Gastwissenschaftler beim American Institute for Contemporary German Studies an der John Hopkins University in Washington. Sein Schwerpunkt sind internationale Wirtschaftsbeziehungen.

Sebastian Dullien: Dieser Vergleich ist schon deswegen nicht unrealistisch, weil es seit 1930 in den USA nur eine größere Bankenkrise gab: Ende der 80er.Jahre gerieten die Spar- und Darlehenskassen in eine Schieflage, was den Staat damals rund 150 Milliarden Dollar gekostet hat.

Und wie viel wird die jetzige Krise kosten?

Das ist noch nicht abzusehen. Momentan gehen Schätzungen davon aus, dass die Banken und Hedgefonds mindestens 400 Milliarden Dollar abschreiben müssen. Aber diese Annahme ist sehr optimistisch. Im letzten Sommer hieß es noch, die Ausfälle würden nur 100 Milliarden betragen. Doch inzwischen greift die Krise auf immer neue Finanzinstrumente über: Erst waren es nur die verbrieften Hypothekenkredite; jetzt betrifft es auch die Kredite an andere Banken oder Hedgefonds.

Experten befürchten schon eine komplette "Kernschmelze" des weltweiten Finanzsystems. Und Sie?

Nein, die Notenbanken haben aus der Bankenkrise von 1930 gelernt. Besonders in den USA gibt es keine Denkverbote, was staatliche Eingriffe angeht. Das sieht man ja schon am Zwangsverkauf der insolventen US-Investmentbank Bear Stearns an den Konkurrenten JPMorgan: Die Aktionäre wurden kalt enteignet. Für eine Aktie haben sie nur noch zwei Dollar bekommen - obwohl allein der New Yorker Büroturm von Bear Stearns 8 Dollar pro Aktie wert war. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass in den USA auch Banken verstaatlicht werden - was im Übrigen die sauberste Lösung ist, wenn die Steuerzahler die Verluste tragen sollen. Zudem wird es im Mai Steuerschecks für die US-Bürger geben, um den Konsum anzukurbeln. Eine Depression lässt sich so abwenden.

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hat seinen US-Kollegen empfohlen, sie sollten gezielt die kleinen Häuslebauer unterstützen, die ihre Hypotheken nicht mehr bedienen können. Was halten Sie davon?

Das ist zu kompliziert, um es sauber durchzuziehen. Sie müssten ja bei jedem einzelnen Kreditnehmer herausfinden, ob er seine Schulden noch zurückzahlen kann. Zugleich käme es zu gigantischen Mitnahme-Effekten: Diese staatliche Unterstützung wäre ein Anreiz, seine Hypotheken nicht mehr zu zahlen.

Was also dann?

Man müsste das Eigentum an Häusern und Immobilien an den Staat übertragen, wenn er faule Hypothekenkredite übernimmt. Die Banken würden gerettet - aber ihre Verluste nicht komplett sozialisiert. Der Staat erhielte einen Gegenwert.

Bisher geht die US-Notenbank einen anderen Weg: Sie pumpt Geld in den Markt, indem sie auch Ramschanleihen als Sicherheiten akzeptiert. Funktioniert das?

Dabei ist die Gefahr sehr groß, dass am Ende die Steuerzahler auf den faulen Krediten sitzen bleiben.

Überhaupt wird in den USA der Geldhahn aufgedreht: Gestern hat die Notenbank die Leitzinsen erneut gesenkt. Droht eine Inflation?

Durch die Krise sinkt die Nachfrage in den USA. Damit erledigt sich eine Inflationsgefahr dort von selbst. Allerdings dürfte der Dollar durch die Zinssenkungen weiter abstürzen. Für die europäische Exportwirtschaft wird es zum Problem, dass der Euro ständig steigt. Daher sollte auch die europäische Zentralbank endlich die Zinsen senken und am Devisenmarkt intervenieren.

Von Pessimisten wird gern vorgerechnet, dass die Notenbanken längst machtlos seien, weil die USA sowieso hoffnungslos bankrott wären: Der Schuldenberg würde 47.000 Milliarden Dollar betragen, was 380 Prozent des Nationaleinkommens entspräche.

Das ist eine falsche Zuspitzung. Die Auslandsverschuldung der US-Amerikaner beträgt nur 20 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts. Der Rest der Schulden haben also Amerikaner bei Amerikanern - und oft fallen Gläubiger und Schuldner sogar in einer Person zusammen. Viele Leute haben zum Beispiel hohe Schulden auf ihrer Kreditkarte, weil ihnen dort Zinsen von null Prozent gewährt werden. Gleichzeitig besitzen sie aber ein Termingeldkonto, wo sie Guthabenzinsen kassieren. Oder sie haben Anteile an einem Pensionsfonds. Für viele Amerikaner ist es ein gutes Geschäft, Schulden zu haben.

Insgesamt sind Sie ja bemerkenswert gelassen. Aber auch Optimisten stellt sich die Frage: Wie ließe sich eine nächste Finanzkrise verhindern?

Jede Krise sieht zwar anders aus - aber allen gemeinsam war bisher der "Hebel-Effekt". Mit sehr wenig Eigenkapital wurden immense Kredite aufgenommen. Diesen Mechanismus kann man nur durchbrechen, wenn die Banken mehr Eigenkapital vorhalten müssen.

INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN

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