internetkultur: Unwirkliche Gespräche
Trump redet mit P. Diddy und Tilda Swinton mit sich selbst. Ein Künstler verbreitet erfundene Interviews
Bernie Sanders und Slavoj Žižek diskutieren die Oligarchie der USA, David Lynch therapiert Cher und Kanye West singt seinen Song „Spaceship“ einem jüngeren Elon Musk vor – woraufhin der fachsimpelt: „Für den Kauf einer Rakete braucht es eine enorme Menge Kapital.“ Derzeit verwundern Gespräche wie diese das Publikum auf Youtube, Instagram und Tiktok. Sind sie wirklich so passiert, sind sie gefakt, was ist das?
Die Videos sind Teil der Youtube-Serie „The Talk“ des dänischen Künstlers Jonas Hollerup Helle. Dieser hat Gesprächsfetzen der US-amerikanischen Interviewlegende Charlie Rose zu fiktiven, 2- bis 3-minütigen Konversationen zusammengeschnitten. Rose ließ er dabei einfach weg und arrangierte stattdessen die interviewten Promis in Gesprächspaaren. Neben West mit Musk ist da etwa auch Donald Trump im Gespräch mit dem der Sexualverbrechen angeklagten Sean „Diddy“ Combs. Oder Tilda Swinton, die mit sich selbst darüber diskutiert, ob sie beide Vampire sind.
Und nicht nur die wild zusammengestellten Duos machen neugierig. Es ist vor allem der unheimliche Gesprächsrhythmus – die inszenierte Stille, die unangenehmen Pausen und Mimik – den man aus öffentlichen Gesprächen so nicht kennt. Diese kleinen Momente lassen scheinbar nahe herankommen an zwei Menschen, die unbeholfen versuchen, miteinander zu kommunizieren.
Manche Leute seien verärgert, wenn sie herausfinden, dass die Gespräche fiktiv sind, erzählte der Künstler jüngst in einem Interview mit dem britischen Lifeystyle-Magazin Dazed. „Aber ich habe kein Interesse daran, Menschen zum Narren zu halten. Ich habe kein Interesse daran, Fake News zu produzieren.“ Vielmehr ginge es ihm darum, die eigene Wahrnehmung in einer oft kontextlosen Internetkultur zu hinterfragen. Wer also in seinen Social-Media Feeds-darauf stößt, sollte sich diese Videos auf jeden Fall anschauen. Amelie Sittenauer
„The Talk“, 12 Folgen auf Youtube
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