insolvenzverschleppung : Wissenschaftler vor Gericht
Der Abwesende ist Dr. Burger. Das ist wichtig, weil Abwesende immer schuld sind. Die fünf Angeklagten zumindest nennen den Namen Burger auffällig häufig. Sie waren im Vorstand oder Geschäftsführer der „P Holding AG“, ein zukunftsträchtiges Unternehmen, das in Satellitentechnik machte und zu dem Zweck die Crème de la Crème der DDR-Funkaufklärung und luftkosmischen Wissenschaften beschäftigte.
Einige sitzen nun im Berliner Gericht vor einer Strafrichterin. Der Staatsanwalt findet nämlich, sie hätten die Arbeitnehmeranteile der Kranken- und sonstigen Versicherung am Ende nicht mehr abgeführt und die Insolvenz verschleppt, weil schon Ende 1999 klar gewesen sei, dass das Unternehmen zahlungsunfähig war. Unglaublich klar, findet der Staatsanwalt. So klar, dass jeder der fünf Angeklagten davon hätten wissen müssen.
Die sagen nun aber, von den Finanzen hätten sie keine Ahnung gehabt. „Nie!“, ruft zum Beispiel der angeklagte Professor Dr. Karl-Heinz Ma. entsetzt, als die Richterin ihn fragt, ob er mal Kontoauszüge zu Gesicht bekommen hat. Nicht einmal Leasingverträge für Dienstautos hätten sie ohne Dr. Burger auflösen können, ergänzt der angeklagte Buchhalter Me. „Herr Burger hat immer gesagt, dass wir uns nach unserem Börsengang eher darum Sorgen machen müssen, was wir mit der ganzen Kohle alles machen sollen“, erklärt der Angeklagte Reinhard St.
Gewiss, es hat auch Warnzeichen gegeben. Uwe D. sagt, dass „bei mir schon ein paar rote Lampen angegangen sind“, als ihm die Gewerbeuntersagung auf den Tisch flatterte. Aber Dr. Burger hätte ihn auf eloquente Weise beruhigt mit: „Die Margot regelt das schon.“ Margot Burger, die Frau von Dr. Burger, war für die Finanzen zuständig. Sie sei daraufhin selbst zum Aufsichtsamt nach Hellerdorf gefahren und habe das geregelt. Entsprechend reagierte der angeklagte Professor Dr. Dieter F. „mit Entsetzen“, als das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Die fünf Angeklagten sagen, sie seien doch nur als Techniker und als Wissenschaftler tätig gewesen. Sie hätten sich nur zu Vorstandsmitgliedern machen lassen, weil sie ohne entsprechende Visitenkarten nie zu den Staatssekretären vorgelassen worden wären. Und es hätte ja auch anders kommen können. „Hätte der Börsengang geklappt, wäre Dr. Helmut Kohl bei der Eröffnung gewesen“, sagt ein Verteidiger. So aber, sagen die Angeklagten, habe ihnen die Statushörigkeit von Ministerialbeamten eine Anklage eingebracht. Und die gemeinsame Wut auf Dr. Burger.
Der ist vor einem Jahr zu 20 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Eigentlich hätte er gestern auch aussagen sollen. Er wollte aber abwesend sein. Am Donnerstag hat es damit ein Ende. Dann wird der Prozess fortgesetzt und Dr. Burger polizeilich vorgeführt. MAREKE ADEN