in fussballland : Christoph Biermann über Namensmanipulationen
Don’t call me Bieri!
Schon zu Schulzeiten habe ich diesen Unsinn gehasst und ihn mir seitdem entsprechend unnachsichtig verbeten. Erstaunlicherweise bin ich damit erfolgreich gewesen und kann noch heute unbeschwert durchs Leben gehen, ohne einen bescheuerten Spitznamen ertragen zu müssen oder eine Verniedlichungsform des bestehenden. Dabei scheinen Menschen Namensmanipulationen zu lieben. Das gilt nicht nur für den Versuch eines mir recht sympathischen Eigenbrödlers, der im Nachlauf von ’68 noch immer die durchgehende Kleinschreibung verficht und dabei zugleich meinen Vornamen einer persönlichen Rechtschreibreform unterzogen hat und seine Schriften also standhaft an „christof“ adressiert. Doch geht es ihm dabei wenigstens nicht um die unselige Herstellung von Vertraulichkeit, die sonst hinter Namensschändungen steht.
Selbst in meiner Fußballmannschaft habe ich sie mir dereinst vom Leibe halten können, sieht man von der eher sachlichen Feststellung „Langer“ ab, die alle Kicker nahe der zwei Meter akzeptieren müssenn. Dabei wird gerade beim Fußball die Namensverkuschelung mit Inbrunst gepflegt. Als wären die Wörter „Mami“, „Papi“ und „Pipi“ erst gestern gelernt worden, kreist alles um das kleinkindhaft niedliche „i“, weshalb Bochums Woschi den Ball zu Münchens Scholli passt und Schalkes Böhmi flankt, während auf der Trainerbank Dortmunds Sammi tobt.
Kaum ein Vorname, an den nicht ein i gezaubert wird, ob Thommi oder Jensi, Andy oder Andi, Illi oder Rudi, Fränki oder Manni. Und wenn Michael mal kein Michi wurde, dann halt gleich Susi, was sogar lustig ist. „Berti klingt nach Wellensittich“, hat Marcel Reif einst festgestellt, aber in der vermeintlich so harten Männerwelt der Fußballprofis herrscht offensichtlich nicht eine Stimmung wie in der Kleintierhandlung, sondern wie in einem Vorschulkindergarten. Aber vielleicht haben derlei Vertraulichkeiten auch die Funktion, im erbarmungslosen Kampf um Ruhm und Geld die Leichtigkeit der Zeiten herzustellen, in denen man noch auf dem Hof zwischen zwei Teppichstangen kickte. Diese Verniedlichungen – die auch auf „o“ funktionieren, wie wir seit Gerd „Kleppo“ Kleppinger wissen – dienen vielleicht auch dem Ausgleich zwischen oben und unten. Darf der 18-jährige Newcomer seinen arrivierten Kollegen aus der Nationalmannschaft erst mal Olli nennen, wird alles schon viel leichter.
Vielleicht hat’s auch ganz andere Gründe, aber allein mein Kollege Philipp darf „Bieri“ zu mir sagen, und das tut er netterweise auch stets in Anführungsstrichen. Außerdem nennt mich ein Kollege von Deutschlands größter Tageszeitung immer „Biermännchen“, was mich jedes Mal aufs Neue leicht fassungslos macht. Aber ich revanchiere mich nur manchmal damit, ihn „Vimmi“ zu rufen, weil das doch gegen die Menschenwürde geht und mir nur widerwillig über die Zunge kommt.
Spitznamen kommen zwar nicht unbedingt aus der Kindertagesstätte, wie wir seit dem in England zum Pornostar gewordenen Profi Dirk Lehmann wissen, sind meistens aber auch nicht besser als das Herumdoktern an bestehenden Namen. Zumal sie oft den angestrengt arbeitenden Hirnen von Boulevardreportern entsprungen sind, wie am aktuellen Beispiel von Bremens Brasilianer Ailton zu sehen ist, der beharrlich 00-Ailton genannt wird, was nichts mit Toiletten, sondern mit James Bond zu tun haben soll. Gut getroffen hingegen war dereinst Klaus „Tanne“ Fichtel, weil er so beständig und fest in der Abwehr stand, aber als einziger Baum nicht umgesägt wurde, sondern lieber selber holzte.
Und dann gibt es noch einen Fußballspieler, der einen wunderbar passenden Spitznamen trägt: Leverkusens Nationalspieler Bernd Schneider wird wegen seiner trickreich brasilianischen Spielweise von seinen Kollegen „Schnix“ genannt. Das klingt gut und fast wie der Name einer Comicfigur. „Schnix der Dribbelkönig“, könnte das brachliegende Genre des Fußball-Comics beleben. Mit einem schnicksenden und tricksenden Helden, der über den gleichen Max-und-Moritz-Charme verfügt wie Schneider. Da würde man am liebsten selber „Schnix“ heißen.
Fotohinweis: Christoph Biermann (42) liebt Fußball und schreibt darüber