in fußballland : Drastische Dialoge
CHRISTOPH BIERMANN berichtet über Telefonate eines gewissen Herrn Overath
Was ich eigentlich falsch gemacht habe, dass mich Wolfgang Overath noch nicht angerufen hat, musste ich mich in den letzten Tagen häufiger fragen. Denn wo ich auch hinkam, wussten mir Kollegen zu erzählen, dass sich der Präsident des 1. FC Kölns bei ihnen gemeldet hätte. Nur ich hatte noch keinen Anruf von ihm bekommen, in dem er sich über meine Berichterstattung beschwerte. Das war aber eigentlich auch kein Wunder, schließlich hatte ich mich wenig um den 1. FC Köln und gar nicht um die Präsidentschaft der Kölner Fußballikone gekümmert, die, wie man nicht nur mit dem Blick auf die Tabelle der zweiten Liga erkennen kann, nicht gerade als erfolgreich zu bezeichnen ist. Dass Overath dafür nicht nur kraft seines Amtes mitverantwortlich zeichnet, haben nicht wenige Berichterstatter aufnotiert. Und hätte ich das ebenfalls getan, wäre es mir wahrscheinlich so ähnlich ergangen wie dem Kollegen einer großen Zeitschrift, der eher nüchtern die bisherige Ära Overaths bilanziert und den Mann am nächsten Morgen umgehend am Apparat hatte. „Sie können meine Telefonnummer streichen, von mir bekommen Sie nie mehr eine Information“, sagte Overath.
Den Ton und die weitere Wortwahl („Schmierlappen, Boulevard“) konnte ich mir ungefähr vorstellen. Denn ich durfte mir das anfangs seiner Amtszeit mal unter vier Augen anhören, nachdem ich seine putschartige Amtsübernahme in einigen Artikeln kritisiert hatte. Als ich vor ihm saß, dachte er jedoch, nicht ich selber hätte das geschrieben, und weil ich mich weder mit Fußballspielern, Trainern noch Präsidenten anschreien mag, stellte ich das auch nicht klar und es blieb bei einer allgemeinen Rüge.
Auch sonst sind grob negative Rückmeldungen zu meiner Berichterstattung zum Glück fast ausgeblieben. Nur zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten ließ mir Wilfried Hannes ausrichten, dass er mir was aufs Maul hauen würde, wenn ich ihm über den Weg laufen sollte, und tat ganz recht an dieser Drohung. Ich hatte nämlich mit ihm ein sehr nettes Gespräch über seinen Wechsel von Mönchengladbach nach Schalke geführt und die Probleme erörtert, die es mit sich brachte, dass er nur auf einem Auge sehen konnte. Dann überschrieb ich den Text mit der Headline „Wird der Einäugige König von Schalke?“, wofür ich mich auf diesem Wege bei Hannes endlich mal entschuldigen möchte.
Im letzten Jahr schrieb dann noch mal Thomas Broich einen Brief und schickte ihn per echter Post. Er fühlte sich falsch dargestellt, was aber mit einem netten Gespräch bei einer Tasse Kaffee geklärt werden konnte. Vielleicht liegt der Mangel an Beschwerden daran, dass ich zu weich bin oder für die falschen Medien arbeite. Bei einer Kölner Zeitung wäre ich Overath jedenfalls kaum entgangen. (Oder doch, denn der mächtige Mann ruft meist nicht die unliebsamen Schreiberlinge an, sondern gleich beim Verleger. Der will aber wohl nichts mehr mit dem Mann zu tun haben, dem er einst ins Amt half.)
So kann man fast Mitleid entwickeln für den Weltmeister von 1974, dass irgendwann niemand mehr da ist, bei dem er sich noch beschweren und ihn aus seinem Leben streichen kann. Vor einigen Wochen entspann sich zwischen einem geschätzten Kollegen und Overath aber noch folgender schöner Dialog. Overath: „Nach diesem Artikel kündige ich dir die Freundschaft.“ Kollege: „Welche Freundschaft, wir haben doch noch nie ein Bier zusammen getrunken.“ Overath: „Jedenfalls lasse ich mir von dir nicht meinen Ruf als Präsident kaputtmachen.“ Kollege: „Ich glaube, mein Ruf als Journalist ist besser als deiner als Präsident.“
Das war gut gegeben in dieser Screwball Comedy, die der Profifußball manchmal ist, und vielleicht ergeht es Overath so wie Uwe Seeler. Der fand seine Präsidentschaft beim Hamburger SV nachträglich als größten Fehler seines Lebens. Und wie wir davon nur in Erinnerung behielten, dass der große Stürmer von einst bei einem Fernsehinterview unablässig an seinem Geschlechtsteil herumnestelte, werden es bei Overath wohl seine Anrufe sein.