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Archiv-Artikel

im zug mit karl lagerfeld von KLAUS BITTERMANN

Zunächst wusste ich nicht, warum ich so angewidert war, aber jedes Mal, wenn ich den Zug bestieg, wurde mir unwohl. Ich fühlte mich verfolgt und beobachtet. Bis ich merkte: Überall starrte mich Karl Lagerfeld an. Ich wurde ständig von einem mürrisch dreinblickenden Mann hinter einer schwerkalibrigen Sonnenbrille angegafft, dessen Mundwinkel auf fünf vor halb sieben hingen und in dessen Sonnenmilchbräune unappetitliche, zu einem affigen Zopf geknotete weiße Franzen hingen. Schnell hängte ich meinen Wintermantel des Schweigens darüber, drehte die übellaunige Mafiosi-Imitation um oder versenkte ihn im Abfallkorb. Aber mein Kampf war sinnlos. In jedem neuen Zug, den ich bestieg, muffelte er mich wieder an.

Irgendwann wurden meine Versuche, ihn zu ignorieren, lächerlich. Das DB-Magazin mobil hatte mobil und mich mürbe gemacht. Ich schlug das Heft auf und las die „Ansichten einer männlichen Diva“ und stellte fest, dieser Artikel geht gar nicht um Karl Lagerfeld, sondern um Paul Sahner. Ein „Gesellschaftsreporter“, der allein aus Gleitcreme besteht, um seine Opfer zu penetrieren. Mit Karl Lagerfeld kann Paul Sahner das besonders gut, und auch schon seit 15 Jahren. „Paul“ geht es bei „Karl“ 1A, und in seinem Artikel schildert Sahner schließlich, wie klasse es sich in „Karls“ 24-Hektar-Landsitz als Made im Speck leben lässt: „Schnell noch raus in den Park, ein paar Bahnen in dem 50 Meter langen Pool kraulen, wo sich vergangene Woche noch Charlotte, die schöne Tochter von Caroline von Monaco, unter Wasser mit Pop beschallen ließ. Danach eine eiskalte Dusche.“ Uiiii, das war knapp, fast mit der schönen Charlotte im gleichen Pool. Da war die kalte Dusche aber höchste Eisenbahn. Paul Sahner schüttelt seine unzüchtigen Gedanken ab und geht „zurück in die laue Augustnacht. Wir sitzen im Park seines Biarritz-Refugiums, lassen den Blick zu den Pyrenäen im angrenzenden Spanien schweifen. Einer seiner zwei Diener serviert, was einer seiner drei Diät-Köche zubereitet hat … Lagerfeld klärt mich auf: ‚Kein Gramm Fett. Nur morgens genehmige ich mir 25 Gramm Butter, damit die Haut nicht austrocknet.‘“ Schmiert Lagerfeld sich die Butter ins Gesicht? Jeden Tag 25 Gramm? Ist ja eklig!

Wenn das die Haute Cusine in Biarritz ist, dann wundert es mich nicht, wenn Karl Lagerfeld wie ein Sack voller Sorgen herumläuft. Spaß und Freude haben ist was anderes. Jedenfalls bedeutet es nicht, wie ein Spargel durch die Gegend zu laufen und im fortgeschrittenen Alter mit lächerlich hautengen Jeans so zu tun, als würde man nicht wie ein Truthahn aussehen.

Weil aber Lagerfeld daherkommt wie fünf Wochen Regenwetter, hat er ein paar Regeln für seine Gäste aufgestellt: „Sprechen Sie auch nie über persönliche Probleme. Besonders tabu sind Krankheit, Geldknappheit oder Sorgen mit den Kindern.“ Persönliche Probleme sind für „Karl“ und „Paul“ wie ein Tripper. Beide wissen, wie schnell man so eine Geschlechtskrankheit bekommen kann. Was sie nicht wissen, dass sie ihn beide schon haben. Zumindest die Prominenten-Klette Paul Sahner, dessen unwürdige Existenz als Tripper bezeichnet werden kann: Man kriegt ihn schnell, aber wird ihn schwer wieder los.