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Archiv-Artikel

idiotie und konsumismus von WIGLAF DROSTE

Als Greis geboren und dann tüchtig nachgealtert: Das geht vielen so, Christoph Amend ist nicht der Einzige. Der 29-Jährige breitet seine Weisheiten auch in GQ aus, wo ein messbarer IQ nur schaden könnte: „Es ist nicht ganz leicht in diesen Zeiten, die Dinge mit kühlem Kopf zu betrachten …“ Kopf? Wieso denn Kopf? Der ist doch dazu gar nicht nötig, möchte man sagen, aber zu Senioren im Schaukelstuhl soll man freundlich sein. Gut gelüllt, Löwe, lobt der Pfleger, legt dem Mann noch eine Decke über die Beine und rollt ihn zurück auf die Veranda, zu Makramee und Mimikry, und zum Phrasenpatchwork mit Kollegen: „natürlich“ schreiben, obwohl er „selbstverständlich“ sagen möchte, das kann Christoph Amend wie tausend andere, und den ebenfalls gern genommenen Nullinger „nach dem Motto“ hat er auch im Sortiment: Zwei Seiten Text, und es steht nichts darin.

Konsumismus erzeugt Ramsch, den Schrott von gleich. Das Hergestellte darf nichts taugen, muss es doch sekündlich durch neuen Plunder ersetzbar sein. Wo Sprache eine Ware ist, gelten für sie die Produktionsbedingungen der konsumistischen Warenwelt. Das ist nicht neu; zuweilen allerdings erstaunt der Stolz, mit dem der Plunder auf den Markt geworfen wird. Wenn Bild eine Kampagne mit der Ware Effenberg betreibt, kann man das aufdringlich finden und sehr ignorabel. Man kann die Angelegenheit auch im Detail betrachten – es springt aber keine Erkenntnis dabei heraus, die man nicht längst gewonnen hätte.

Aufschlussreich ist allein die Rezeption der Sache: Noch exkrementiger als der Brei aus Bild, Effestrunz und Kerner stellt sich ein Kulturbetriebsjournalismus dar, der händereibend herbeieilt und nur eins will: mitmischen. Dazu muss der Gegenstand kulturell aufgeblasen werden: Wo nichts ist als die immergleiche konsumistische Idiotie, wird ihr ein angeblich Neues, Spezifisches hinzugelogen, ohne das der eifrig wieselnde Kulturbetriebswirt keine Möglichkeit hätte, sich zum Anhängewagen zu machen. Das aber will und muss er sein: Anhängewagen, von wem oder was auch immer, und eben auch von Bild und Effenberg.

So schafft sich das Genre der Kulturbetriebsliteratur selbst; es ist das Zeug, das außer den Beteiligten niemand braucht. Nichts ist weiter von Literatur entfernt als Kulturbetriebsliteratur. Mond und Erde liegen vergleichsweise nah beieinander – von Bild und Effenberg zur Literaturagentur Eggers & Landwehr dagegen ist es nicht einmal ein Schritt.

Die Vermarkter haben in Berlin ein Literaturcafé eröffnet, um ihre Autoren besser unter die Leute bringen zu können. Einen Kulturbetriebsjournalisten hat dieser simple Geschäftsvorgang der Religion in die Arme getrieben: „Ein neues Café ist ein Ort der Hoffnung. Die frisch renovierten und nach den Vorstellungen der Betreiber gestalteten Räumlichkeiten künden davon, dass hier in Zukunft interessante Menschen interessante Gespräche führen.“ Interessante Menschen, die interessante Gespräche führen: Selten wurde Trostlosigkeit so präzise beschrieben. Vielen Dank.