piwik no script img

Archiv-Artikel

hörprobe Ruf nach neuen Zähnen

„Einmal Superpunk, bitte!“ Wer so etwas in der Kneipe bestellt, der bekommt bestimmt eine Astra-Knolle. Dazu kann man dann EM-Fußball glotzen, darüber lamentieren, wie schlecht die Welt ist – und die Scheißarbeit ohnehin ein Verbrechen. Natürlich hört man Superpunk zum Männerbier – und wenn man in die Runde schaut, merkt man‘s gleich: Es sind fast keine Frauen hier. Ein Männerabend mit feuchtfröhlichem Revoluzzer-Appeal. Klingt die Musik von Superpunk so langweilig wie dieses Szenario? Nein!

Schon bei den Alben A bisserl was geht immer und Wasser Marsch! gab es herrliche, euphorische und juvenile Momente: das auch im dritten Jahrtausend irgendwie noch ehrlich-authentisch-verschwitzte Soul-Ding halt, gemischt mit einem deftigen Schlag Kellerpunk. Und die ganzen rebellischen Texte über das Sich-nicht-unterkriegen-lassen, über das Im-Clinch-mit-der-ganzen-Welt-liegen eben. Da war der männerbündlerische Schrei nach Gerechtigkeit zwischen den schmutzigen Tasten der Soul-Orgel, der Ruf nach neuen Zähnen, nach der Weltrevolution nicht morgen sondern in drei Minuten, die Lust, dem Fabrikanten die Fresse zu polieren, Freund und Feind zu unterscheiden – und vor allem: die schöne Selbstversicherung, nicht allein zu sein. Meine Herren, Sie kennen das!

Jetzt ist ein neues Album bei L‘Age D‘Or erschienen, eines mit Rumpelgitarre, aber auch noch mehr Soul, mit uplifting Bläsern und mindestens tausend Streichern. Und mit tollen Parolensongs wie „Ich weigere mich, aufzugeben“ oder, noch besser, „Ich mag den Mann nicht, der ich bin“ oder, vielleicht ein bisschen schlechter, „Die Straßen Deiner Stadt“. Klingt stark, alles in allem. So stark, dass sich Rocko Schamoni an seine Jugendliebe zu den Dexys Midnight Runners erinnert fühlt. Und ich nehme die Langspielplatte Searching For The Young Soul Rebels in die Hand und frage mich noch mal, was das eigentlich für ein Wahnsinnscover ist, das eins zu eins auch zu einer Smiths-Platte gepasst hätte und dann doch Dexys wurde.

Superpunk sind Lars Bulnheim, Carsten Friedrichs, Tim Jürgens, Thies Mynther und Thorsten Wegner. Keine Angst, das ist kein St.Pauli- Stadionrock, eher, wie ein Frühwerk heißt, der „Eric Cantona Stomp“. Das hier ist für alle ehrlichen Männer: Schauen Sie sich das ruhig an! Aber bestellen Sie bitte kein Becks Gold. Marc Peschke

Heute, 2.7., 18 Uhr: Schaufensterkonzert Michelle Records; 22 Uhr: Golden Pudel Club