hörprobe : „Tok Tok Tok“
Das nennt man ein gutes kulturelles Angebot: Während der Hamburger Sommer langsam in Fahrt kommt, nimmt die Fabrik sich die Zeit und lädt alle jene ein, die nicht mit Kind und Kegel an sonnige Strände geflohen sind oder im Schlamm der großen Open-Air-Festivals Zerstreuung bei Stadionrock und selig machendem Reggae suchen. Diese Woche locken zwei Konzerte in das Altonaer Kulturzentrum, die eher zum Zuhören und Mitschwingen einladen, als zum ekstatischen Haarewerfen im Rhythmus eingängiger Beats.
Am Donnerstag dekonstruieren die Post-Post-Rocker Tortoise aus Chicago die Genre-Grenzen zwischen Jazz, Electronica, Rock und Punk, und morgen Abend zeigen Tok Tok Tok, dass es auch ganz anders geht.
Das sympathische Quartett setzt auf den unmittelbaren Kontakt zum Publikum; und wenn Worte wie „unplugged“ auch längst zu den verbotenen Worten gehören, darf man bei Tok Tok Tok doch echte, akustische Sounds von Saxophon, Bass und E-Piano erwarten. Dazu die bezaubernde Stimme von Tokunbo Akinro, die – ja, doch! – gerne mit Norah Jones verglichen wird.
Das Zauberwort heißt: Reduktion. Als Tok Tok Tok vor sechs Jahren in Hannover zusammenfanden, spielten sie als Trio luftige Versionen ausgewählter Hits von Stevie Wonder bis AC/DC. Mit gedrosseltem Tempo und nur halb so laut legten sie melodische Schmuckstücke frei, entschlackten Zu-oft-Gehörtes zu unerhörtem, neuen Leben. „Unser Sound“, erzählt Tokunbo Akinro, „wirkt auf den ersten Blick balladesk, weil die Drums fehlen. Das macht die Musik sehr durchsichtig.“
Inzwischen hat das Trio einen vierten Mann am Fender-Bass dazubekommen und sich weit entfernt vom Klischee einer jazzigen Coverband. Tok Tok Tok spielt heute vorwiegend eigene Songs, die voller Soul und Funk sind, aber immer noch ohne Schlagzeuger auskommen. Wenn nötig, steuert Saxophonist Morten Klein einfach die Beats als Mouth-Percussion bei – geniale Lösung, die man allen Bands empfehlen kann, die nach einem Schlagzeuger suchen.
Es ist dieser entspannte Low-Tech-Anspruch, der derzeit voll im Trend liegt und die Berührungsängste zwischen Pop und Jazz auflöst. Wenn Tok Tok Tok mit einfachsten Mitteln epische Beatles-Werke wie „A Day In The Life“ intonieren, ist das im besten Sinne selbst-verständlich, und zwar beim ausverkauften Jazzfestival vor 1.500 Zuhörern ebenso wie im Kulturzentrum irgendeiner Kleinstadt. Man darf wetten, dass sie auch die Fabrik mit selbst komponierten Soul-Abräumern zum Tanzen bringen.
Tobias Richtsteig
Fabrik, Dienstag, 21 Uhr