heute in bremen : „Wünschen wird derzeit verdrängt“
Auf einem Symposium möchten Kulturkritiker den Raum des Wünschbaren wieder ausweiten
Warum ist das Wünschen so wichtig?
Johannes Beck, Erziehungswissenschaftler: Ein Leben ohne Wünsche ist nicht möglich. Ohne sie können wir nicht existieren, denn sie enthalten unsere Zukunftsperspektiven.
Das klingt wie die schnöden Handlungstheorien, die sagen, dass es kein Tun gibt ohne Mangel.
Die Analogie liegt nahe. Aber Wünsche sind mehr als das Überwinden des Mangels.
Nämlich?
Sie sind Wunsch nach Gestaltung unserer Welt, danach, etwas zu tun, was es noch nicht gibt. Den Künstler motiviert nicht der Mangel zu seinem Werk. Er wirkt aus der Fülle heraus.
Sie kritisieren eine „Ohnmacht der Vernunft“. Hat wünschen noch Konjunktur?
Wünschen im ideellen Sinne wird derzeit verdrängt. Von der Zeit Freuds bis in die 1980er Jahre hatten Utopien einen ganz anderen Stellenwert.
Woran liegt das?
Das dürfte auch mit der Wendezeit von 1989 zu tun haben. Das ein sich als alternativlos präsentierendes Wirtschaftssystem durchmarschiert ist, wirkt sich auch darauf aus, wie die Leute ihre Gestaltungsmacht in der Welt empfinden.
Was wird heute noch gewünscht?
Dinge, die im bestehenden machbar sind. Das können praktische politische Reformen aber auch private Konsumgüter sein. Im Gegensatz zu früher sind es aber nur noch selten gesellschaftliche Entwürfe, wie etwa der Wunsch nach einem anderen Zusammenleben.
Haben die Leute Angst vor ihren Wünschen?
Sicherlich auch das. Vor allem aber haben sie ihre Wünsche den Verhältnissen angepasst.
Fragen: Christian Jakob
Symposium „Die Macht des Wünschens und die Ohnmacht der Vernunft“, 19.30 Uhr, Uni-Gästehaus Teerhof, bis So