heute in bremen : Banken sind wichtiger als Länder
Rudolf Hickel erklärt in der Arbeitnehmerkammer die Finanzkrise
taz: Herr Hickel, hat die Pleite der Hypo Real Estate ihren Vortrag komplett umgekrempelt?
Prof. Rudolf Hickel, Wirtschaftswissenschaftler: Nein, der Beinaheabsturz fügt sich in eine Kette von Pleitegeschäften ein. Es hat mich nicht überrascht.
35 Milliarden – damit könnte man das Land Bremen mehr als zweimal sanieren. Warum geht das nicht so einfach?
Weil das Land Bremen in der Bundesrepublik Deutschland keine dem Bankensystem vergleichbare strategische Rolle spielt. Die Hypo Real Estate ist Teil des Nervensystems Finanzmärkte. Viele meiner heutigen Zuhörer hätten ansonsten wohl aus Panik schon ihre Einlagen bei den Banken gestürmt.
Wann stirbt die Bank aus meiner Nachbarschaft?
Das wird wohl nicht passieren. Schließlich ist ein Minimum der Einlagen gesichert. Die Bank um die Ecke stürzt erst dann ab, wenn im Herdentrieb alle ihre Bankeinlagen stürmen. Noch gelingt es, dies zu verhindern. Deshalb muss jede Bank, die strategisch wichtig ist, abgesichert werden.
Muss das Wort Rente zukünftig aus dem Duden gestrichen werden?
Wir müssen das gesamte System überdenken. Bisher haben sich aber beispielsweise bei den Lebensversicherungen nur kleinere Probleme gezeigt.
Wer hat Grund zur Panik?
Panik ist irrational. Um die Ursache des Fehlverhaltens im Bankensystem zu bekämpfen, bedarf es radikaler Spielregeln. Dies gilt auch zum Schutz der Banken, die gute Arbeit leisten.
Also wohin mit dem Geld?
Obwohl viele anders reden, weiß das derzeit keiner so richtig. Abwarten ist jetzt vernünftig. Ich will keine Anlageberatung machen, auch nicht heute Abend.
INTERVIEW: ASCAN DIEFFENBACH
Finanzmarkt-Vortrag von Rudolf Hickel, 19 Uhr, Arbeitnehmerkammer