heute in bremen : „Das Problem hat sich nicht erledigt“
Kurz vor dem nächsten Castor-Transport hält die Anti-Atom-Bewegung Rückschau
taz: Wird die Anti-AKW-Bewegung mit dem Klima-Argument erpresst, Herr Bergmann?
Johann Bergmann, Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz:
Ja, allerdings ohne sachliche Grundlage. Die Betreiber führen einen reinen Propaganda-Feldzug. Es ist wahr, dass Atomkraftwerke fast kein CO2 ausstoßen, aber die Atomspirale wird in diesen Berechnungen nicht berücksichtigt.
Wie sähe es denn dann aus?
Berechnet man seriöserweise den insgesamt anfallenden Ausstoß – also vom Uranabbau bis zur ungelösten Endlagerfrage – mit ein, dann würde sich eine CO2-Bilanz ergeben, die auf dem Niveau moderner Gaskraftwerke liegt. Nur das Gaskraftwerke keinen Strahlenmüll produzieren.
Wie ist rückblickend die Rolle der Grünen zu bewerten?
Dieser Atomkonsens-Nonsens ist etwas, das den Widerstand geschwächt hat, weil die Grünen damit geschafft haben, viele Leute zu integrieren.
Wo liegt das Problem?
Die Leute wurden in dem Glauben gewogen, dass sich dadurch das Problem erledigt hat – was nicht der Fall ist.
Das ist aber kaum der einzige Grund, dass immer weniger Leute protestieren …
Natürlich nicht. Die ganze soziale Frage spielt eine Rolle. Dass die eigene ökonomische Absicherung zunehmend individualisiert ist, führt natürlich auch zu einer Schwächung der sozialen Bewegungen. Diese haben es ihrerseits versäumt, tragfähige Konzepte zu entwickeln, durch die sich politische Arbeit und materielle Lebensgrundlage verbinden ließen. Sonst wären heute sicher mehr Menschen auf der Straße.INTERVIEW: CJA
„35 Jahre Anti-AKW-Widerstand“: Uni, GW 2, B 2880, 19 Uhr