heute in bremen : „Sie fühlen sich wieder ausgestoßen“
In der Hochschule für Künste wird über „Multikulti“ diskutiert
taz: Herr Reiser, Sie kommen aus Sibirien und leben seit 1996 in Berlin. Spätaussiedler gelten als die Stiefkinder der Integrationspolitik. Zu Recht?
Alexander Reiser, Schriftsteller: Wir fallen in der Tat durch alle Raster und Integrationsstrukturen. Bis vor kurzem hat uns nicht einmal der Ausländerbeauftragte zu seinen Schäfchen gezählt.
Sie persönlich sind als Autor erfolgreich, Sie lesen Ihre Geschichten unter anderem im „Radio Multikulti“. Ihr heutiger Diskussionspartner Stefan Luft fordert allerdings den „Abschied von Multikulti“.
Ich bin keiner, der in Bezug auf „Multikulti“ „Hurra“ oder „Schluss“ sagt. Zumal das ja immer eine Frage der Definition ist. Wo fängt „Multikulti“ an und wo mündet es in die Integrationsverweigerung? Wenn man da klare Antworten hätte, wäre die ganze Diskussion überflüssig.
Als Vertreter des „Integrationsdrucks“ fordert Herr Luft zum Beispiel die Deutschpflicht auf Schulhöfen. Sie auch?
Am Anfang brauchen Einwanderer eine Schonzeit, da haben sie ohnehin viel Stress. Wenn man sie überfordert, erreicht man das Gegenteil: Sie igeln sich ein. Später hingegen soll man ihnen durchaus etwas abverlangen. Das Problem besteht allerdings darin, dass Ausländer oft pauschal als integrationsunwillige Gruppe bezeichnet werden. Dadurch fühlen sich die, die sich bemüht haben, wieder ausgestoßen. Das ist sehr schmerzhaft.
Sie bemühen sich, Humor in die Debatte zu tragen und haben „Die Luftpumpe. Lustige Geschichten aus dem Leben der Aussiedler“ herausgebracht. Was ist für die lustig?
Wenn man in eine fremde Umgebung kommt, tappt man immer in entsprechende Situationen. Außerdem will ich zeigen, dass Aussiedler nicht nur Opfer von Stalinismus und Vertreibung sind, sondern auch gern über sich selbst lachen.
Fragen: Henning Bleyl
„Bunt macht Bremen stark“: 15 bis 18 Uhr in der HfK, Dechanatstr. 13