piwik no script img

Archiv-Artikel

hertha für deutschland Warum „Berlin-Hilfen“ für den örtlichen Fußball immer okay waren

Im Stammhaus aller Berliner Fußballexperten, der Fan-Kneipe „Holst am Zoo“, ist man sich bei ner Molle einig: Das Grundrecht, dem Hauptstadtverein und Bundesligisten Hertha BSC auf ewig das Spielrecht im deutschen Fußballoberhaus – wenn nicht gar in allen Championaten der Fifa – zu garantieren, ist begründbar: historisch, moralisch und politisch, besteht doch in Sachen Fußball ein „nationales“ und „gesamtstaatliches“ Interesse, dass die Hauptstadt auf dem grünen Rasen präsent ist. „Der Berliner Fußball ist ein immerwährendes Symbol für die Republik“, lautet die Devise, die Lex Hertha zwingend notwendig.

Es geht auch klarsichtiger. Die Berliner Fußball-Fans können sich gewissermaßen auf das Gewohnheitsrecht berufen. Hat es doch im Rahmen der legendären vom Bund beschlossenen „Berlin-Hilfen“ für Hertha und den Berliner Fußball in toto schon mehrmals Unterstützung von ganz oben gegeben.

Zum Beispiel 1962: Im Saal des Hotels Westfalenhalle wurde am 28. Juli vom Deutschen Fußballbund (DFB) die Bundesliga aus der Taufe gehoben. Eine neue zentrale, 16 Vereine umfassende Spielklasse sollte ab 1963 die regionalen Oberligen ablösen und den großen Klubs samt Lizenzspielern die Ankunft im Profidasein sichern. 15 Teams gehörten dazu. Als „bundesligatauglich“ (gemessen an den sportlichen Erfolgen und der Wirtschaftlichkeit der Vereine) galten etwa Hamburg und Bremen, Dortmund, Schalke und Köln oder Frankfurt und Nürnberg. Nicht dabei war erst mal Hertha, kickte die schon damals schlecht.

Was aber nichts machte. Nach Einlassungen aus Politik und DFB-Präsidium, die den Traditionsklub aus der Frontstadt als notwendigen Bestandteil der Fußball-Bundesrepublik im roten DDR-Meer forderten, frisierte man Herthas Finanzen. Resultat: Die alte Dame Hertha gehörte zu den besten sechzehn.

Zum Beispiel 1965: Gerade einmal zwei Spielzeiten spielte die Hertha in der Bundesliga – mehr schlecht als recht. 1964 war man Drittletzter, 1965 ebenso, mit den meisten Gegentoren. Dafür verstärkte man sich mit Porschefahrern wie dem WM-Torwart Wolfgang Fahrian sowie anderen und überzog dabei die erlaubten Investitionsgrenzen. Hinzu kam, dass der Verein seine Bilanzen fälschte, illegale Zahlungen für Lizenzspieler ausgab und Gegenspielern vor dem Anpfiff heimlich Geld zustecken wollte, damit diese weniger grätschten.

Der erste Bundesligaskandal war geboren, die Mannschaft wurde aus der Liga verbannt. Doch der DFB wollte nicht ohne den Berliner Fußball sein. Statt Hertha durfte Neuköllns Tasmania 1900 mitbolzen (mit Ligarekord: 108 Gegentore) nach dem (noch) ungeschrieben Gesetz: Berlin ist die Bundesliga.ROLF LAUTENSCHLÄGER