piwik no script img

Archiv-Artikel

herr tietz macht einen weiten einwurf FRITZ TIETZ über das Werfen von essbarem Material

Tomatenschleimige Sauerei

Fritz Tietz ist 44 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.

Torben Wosik war drei Jahre alt, als er dem Tischtennissport zugeführt wurde. Als ihn seine Eltern damals fragten, mit welcher Hand er den Schläger halten wollte, nahm ihn der kleine Torben spontan in die Linke. So kommt es, dass seither der ansonsten rechtshändige Wosik linkshändig Tischtennis spielt. Das aber mittlerweile so gut, dass der inzwischen 29-jährige Bundesligaprofi vom TTC Frickenhausen bei den Europameisterschaften am vergangenen Wochenende eine Silbermedaille abräumte.

Ein Erfolg freilich, den man dem 37. der Weltrangliste vorher nicht zugetraut hatte. Umso gefeierter stand Wosik hinterher da, umso vehementer stürzte sich die Presse auf den Überraschungs-Vize. Allenthalben wurde da auch die ulkige Geschichte von seiner linken Tischtennishand kolportiert. Deren Kuriosität versuchte Wosik seinen Interviewern zu verdeutlichen, indem er ihnen offenbarte, was er mit der Linken alles nicht kann. Müsste er etwa mit der linken Hand eine Papierkugel in einen Eimer werfen, so sagte er der Süddeutschen Zeitung, würde er diesen niemals treffen. In einem taz-Interview gab er an: „Ich kann mit der linken Hand keine Tomate in den Mülleimer werfen.“

Nun ist es in der Tat erstaunlich, wenn sich einer mit links bis ins Endspiel einer Tischtennis-EM pingpongen kann, mit derselben Hand aber offenbar nicht imstande ist, etwas gezielt wo hineinzuwerfen. Noch erstaunlicher scheint mir jedoch, dass es ausgerechnet Tomaten sein müssen, die Wosik da meint, in den Mülleimer werfen zu müssen – oder genauer, und das macht den Vorgang noch rätselhafter: am Mülleimer vorbei. Auch auf die Idee, Papier zu Kugeln zu formen, um mit ihnen anschließend in keinen Eimer zu treffen, muss man erst mal kommen. Gleichwohl: Papier ist, sofern keine Oblate, nicht essbar und also kein Lebensmittel, mit dem rumzumachen ja aus ernährungsethischen Gründen nicht zulässig ist. Wenn also Wosik wieder mal jemandem beweisen muss, dass seine Linke außer zum Tischtennisspielen zu nichts zu gebrauchen ist, darf er gerne Papier zu Kugeln knüllen und sie gerne auch in Eimer oder an ihnen vorbeiwerfen. Aber bitte keine Tomaten.

Ein so schmack- wie nahrhaftes Lebensmittel wie die Tomate darf man nur in den Müll geben, wenn es verdorben ist. Doch selbst dann sollte man sie nicht mit der wurfschwachen Linken aus der Distanz in die Tonne zu schleudern versuchen, wie es Torben Wosik allem Anschein nach probiert. Warum entsorgt er seine Tomaten nicht, indem er nahe genug an den Mülleimer herantritt, um sie dann sicher in ihn hineingleiten lassen zu können? So schaffte man das problemlos sogar mit zwei linken Händen. Ich zumindest würde eine Tomate exakt so wegschmeißen. Anders wäre mir das Risiko zu groß, nicht zu treffen und mit der deshalb am oder neben dem Mülleimer zerspritzenden Tomate eine tomatenschleimige Sauerei anzurichten. Dazu kommt noch, dass Mülleimer üblicherweise einen Deckel haben, der, so ist das zumindest bei unserem Eimer, nicht alleine aufgeklappt bleibt. Also müsste ich auch noch eine Hilfskraft anstellen, die den Deckel hielte, wenn ich zum Tomatenwurf ansetzte. Dabei riskierte ich auch noch, den Deckelhalter zu treffen.

Statistisch gesehen kommt es übrigens häufiger vor, dass Sportler mit Sachen beworfen werden als dass sie selbst welche werfen. Im Internet gibt es sogar ein „A–Z von Dingen, die nach Sportlern geworfen werden“. Das Stichwort „Tomate“ kommt darin nicht vor. Unter V wie „Vegetables“ (Gemüse) wird aber daran erinnert, wie Italien bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1966 in der Vorrunde überraschend gegen Nordkorea ausschied und folglich ein Großteil der jährlichen Tomatenernte Italiens dafür verwendet wurde, die Fußballer bei ihrer Rückkehr in die Heimat damit einzudecken.