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Archiv-Artikel

herr tietz macht einen weiten einwurf Strandgymnastik und Wassertreten

FRITZ TIETZ über die Vergreisung einer Sportnation und Schirrmachers Methusalem-Kompott

Seitdem mit dem FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher konsequenterweise einer der frühst vergreisten Mittvierziger der deutschen Nachkriegs-Publizistik ein Methusalem-Kompott zusammengerührt und in die Bild-Zeitung gekippt hat, ist es endgültig rum: Deutschland altert. Unsere Gesellschaft wird überwiegend eine seniore sein, so lautet die allseits beschnatterte „demografische Prognose“. Selbst mein Friseur fing neulich davon an: Er bemerke die Alterung an dem Zuwachs seiner 12-Euro-40-Kunden. Also an jenen Männern fortgeschrittenen Alters und Haarausfalls, denen er wegen der paar zu ondulierenden Fransen, die ihre Pläten noch bekränzten, nicht mehr den regulären Herrenschnittpreis von 15 Euro 90 abknöpfen könne.

Ganz so haargreiflich wie durch glatzenbedingte Umsatzeinbrüche zeichnet sich die Methusalemierung im deutschen Spitzensport noch nicht ab – obwohl die deutschen Nationalfußballer unlängst gegen Rumänien schon ziemlich alt aussahen. Auch die Ankündigung der dreimaligen Fechtweltmeisterin Anja Fichtel, nächstes Jahr im biblischen Fechtalter von 37 wieder ins Wettkampfgeschehen einzugreifen, lässt zumindest ahnen, dass der deutsche Leistungssport mählich veraltet. Deutlicher als im Spitzen- greift bereits im Breitensport die Vergreisung um sich. Nicht von ungefähr laufen der Alte-Säcke-Sportart Golf immer mehr alte oder wenigstens gesichtsalte Säcke zu. Und wie erst kürzlich hier geschildert, hat mich neulich beim Radfahren ein ca. 70-Jähriger locker abgehängt. Augenscheinlich sind auch die Jogger, die jetzt wieder durch die Gegend hecheln, immer betagteren Alters – nämlich kaum noch unter 45. Dazu kommen neuerdings diese Power-Walkerinnen: ausnahmslos angejahrtere Damen, die da raumgreifenden Schritts und mit energisch rudernden Armen an einem vorbeischwatzen. Zudem wird derzeit in der ARD ein 61-jähriger Berliner abgefeiert, der innert eines Jahres von einem bauchlappen Lahmarsch zum drahtig-schlanken Marathonläufer mutierte.

Klarer Fall: Das von Schirrmacher apostrophierte Senioren-Komplott wird längst geschmiedet. Immer mehr Alte machen sich bereits für den bevorstehenden Generationenkampf fit, während sie zugleich ihren Feind von morgen, die heutige Jugend, prophylaktisch fett trimmen. War zum Beispiel die schokoladene „Kleinigkeit“, die Großeltern ihren Enkeln früher zusteckten, tatsächlich meist nur eine kleine süße Überraschung, bringen sie ihnen das Schlickerzeug heutzutage in Anstaltspackungen dar. Auch die nachfolgende Altengeneration der heute 45- bis 65-Jährigen arbeitet systematisch an der Schwächung der Nachwachsenden, indem sie ihre aktuellen Entscheiderpositionen nutzen, um etwa öffentliche Schwimmbäder und Sportplätze zu schließen oder den Turnunterricht abzuschaffen. Gleichzeitig wird unter dem Vorwand, die Jugend technologisch zu schulen, die möglichst frühe Beschäftigung mit dem Computer propagiert. Tatsächlich soll so nur die möglichst frühe Wampenbildung, Breitarschigkeit und Rückenverkrümmung der Jugend gefördert werden.

Es deutet also einiges darauf hin: Deutschland wird Altensportnation. Spitzensport wird dann hierzulande, wie jetzt schon im Profifußball der Fall, überwiegend von Ausländern betrieben. Wir Deutschen gucken bloß noch zu. International reüssieren werden wir allenfalls in Altensportarten wie Spazierengehen, Strandgymnastik und Wassertreten, vorausgesetzt natürlich, sie werden olympisch. Aber warum soll diesen Disziplinen nicht gelingen, was der Greisensportart Golf bereits gelang?