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Archiv-Artikel

herr tietz macht einen weiten einwurf FRITZ TIETZ über sexuelle Wettkampfbedingungen

Testosterone Entsaftung

Fritz Tietz ist 44 Jahre alt, lebt als Nachfahre osteuropäischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport

Eine immerfort strittige Frage unter Sportlern ist: soll man sich vor einem Wettkampf sexuell enthalten oder soll man nicht. Weit spreizen da die Ansichten auseinander. Immerhin vertritt eine Experten-Mehrheit den Standpunkt, dass ein kleines Fickerchen zur rechten Vorbereitungszeit (nämlich bis zu zwei Stunden vorher) der Leistungsstärke von Sportlerinnen nicht schadet, weil Sex den weiblichen Testosteronspiegel auf ein durchaus wettkampfförderndes Maß ansteigen lässt. Männliche Sportler hingegen sollten ihre letzte Nummer möglichst weit vor dem Startschuss geschoben haben. Das Problem dabei ist weniger die beim Mauseln verbrauchte Muskelkraft. Für weiche Eier und Knie sorgt eher der Verlust des für Aggression zuständigen Testosterons, das Männern beim Akt in leistungsmindernder Dosis gleichsam entspritzt. Das gilt insbesondere für die sog. Schnellkraft-Sportler, also die Sprinter, Springer oder Stoßer und wer sonst noch so seine optimale Leistung punktgenau bringen muss. Dagegen wirkt sich für sog. Zielsportathleten, wie etwa Bogen- oder Sportschützen, eine kurz vor einem Preisschießen anberaumte testosterone Entsaftung durchaus positiv auf die wettkampfnötige Entspanntheit aus.

Sowenig man übrigens weiß, wie Sex den Golfsportlern bekommt – die haben ja bekanntlich keinen –, so wenig vermag ich zu sagen, inwieweit mein Sexleben meine sportliche Leistungsfähigkeit beeinflusst – dazu habe ich einfach zu wenig Sport. Schon gar keinen unter Wettbewerbs-Bedingungen. Die paar richtigen Sportwettkämpfe, an denen ich teilnahm, fanden in meiner Teenager-Zeit, also vor einer halben Ewigkeit statt. Trotzdem bin ich mir sicher: Geschlechtsverkehr hatte ich vor diesen Wettkämpfen nicht. Den hatte ich damals sowieso eher selten. Nicht dass ich keinen gewollt hätte. Allein, die Gelegenheiten dazu waren so rar, dass ich mich heute an nahezu jedes zwischenmenschliche Ereignis, welches auch nur im Ansatz ein sexuelles genannt zu werden verdiente, sehr genau erinnere. Wenn Sex im Zusammenhang mit sportlicher Betätigung eine Rolle spielte, dann nur insofern, dass ich hoffte, mich durch die Teilnahme an irgendwelchen Wettkämpfen und die damit einhergehende öffentliche Zurschaustellung meiner sportlichen Potenz für ein Techtelmechtel mit möglicherweise auch sexuellen Folgen anpreisen zu können. Denn das war ja damals schon so, wie es wohl auch heute noch ist: die Ladies stehen vor allem auf Sportskanonen.

Zu denen ich mich mindestens einmal zählen durfte, als ich bei einem Schulsportfest überraschend in die 4-x-100-Meter-Staffel meiner Klasse berufen wurde. Hach, so konnte ich mal der versammelten Schulgemeinde und vor allem deren weiblichen Angehörigen zeigen, was für ein flotter Hirsch ich bin. So dachte ich, ohne vorher zu bedenken, dass ich meinen Auftritt als zweiter Läufer, als der ich eingeteilt wurde, vor der zuschauerleeren Gegengerade des Stadions und also sozusagen unter ferner liefen absolvieren musste. Die bewundernden Blicke heimsten die Schlussläufer vor der mit sämtlichen Favoritinnen hübsch besetzten Tribüne ein.

So gesehen kann man verstehen, warum sich Jon Drummond kürzlich in Paris zu seiner Liegeblockade entschloss. Der Sprinter war über 100 Meter wegen 0,048 Sekunden zu frühem Zucken darum gebracht worden, sich der Damenwelt als brünftige Testosteronbombe zu empfehlen. Also suchte er sie anderweitig für sich einzunehmen, nämlich durch die 40-minütige Demonstration einer Eigenschaft, die immer noch als beste Voraussetzung für einen erfüllten Beischlaf gilt. Oder wie einmal die Satire-Zeitschrift Kowalski einen deutschen Zehnkämpfer tröstete, als der nach einer fatalen Fehlstartserie ebenfalls disqualifiziert wurde: „Wer im Wettkampf zu früh kommt, braucht im Bettkampf noch lange nicht hinterherzuhingsen.“ Überschrieben war diese Trostadresse mit den Worten: „Dumm f… gut!“