herr tietz macht einen weiten einwurf : Vergessene Schmerzen
Herr Tietz geht dem Gehen auf den Grund – und fragt sich, ob es sich dabei um eine typisch katholische Un-Sportart handelt
Wer im „Ministerium für albernes Gehen“ arbeitet, muss ein ausgewiesen alberner Geher sein. Allen voran der Minister. Tatsächlich ist dessen Gang so rumkaspernd albern, dass er mitunter seine Termine nicht einhalten kann. „Mein Gang, fürchte ich“, so entschuldigt er sich bei einem Gesprächspartner, „ist in letzter Zeit eher noch alberner geworden, sodass es mich noch mehr Zeit kostet, zur Arbeit zu kommen.“ Der Gesprächspartner, selbst ein alberner Geher, will vom Minister eine staatliche Förderung für seinen albernen Gang. Doch dem Minister erscheint der nicht sonderlich zuschusswürdig: „Ich meine, Ihr rechtes Bein ist überhaupt nicht albern, und Ihr linkes Bein vollführt lediglich eine halbe Drehung in der Luft bei jedem zweiten Schritt.“ Was ein richtig alberner Gang ist, führt die Sekretärin des Ministers vor. Ihr Gang ist so ruckartig albern, dass der Kaffee, während sie ihn den Männern bringt, vollständig überschwappt. Am Ende serviert sie zwei leere Tassen … Der Fernsehsketch über das „Ministerium für albernes Gehen“, dargeboten von der britischen Komikergruppe Monty Python, gilt als Klassiker der TV-Komik.
Alberne Gangarten gibt’s auch im Sport. Die Sportart Gehen etwa, ein Klassiker der Leichtathletik und olympisch obendrein. Doch in Dynamik und Exzentrik watscheln die Sport- den Meistergehern von Monty Python weit hinterher. Ihr Entengang dürfte kaum die förderungswürdigen Albernheitskriterien des Ministeriums erfüllen. Der hüft- und gelenkezerrüttende Gehsport kann höchstens auf eine Förderung durch das Gesundheitsministerium rechnen, indem ihm dieses zu einer Anerkennung als Schmerztherapeutikum verhilft. Schmerzforscher wollen nämlich herausgefunden haben, dass Schmerzpatienten durch das bloße Anschauen eines Geher-Wettbewerbs die eigenen Schmerzen vergessen.
Nur begrenzt albern wirkt auch die bislang vor allem breitensportlich betriebene Gangart Nordic Walking. Wobei sich das Attribut „breit“ in diesem Sport wesentlich auf die durchschnittliche Gesäßform seiner Akteurinnen bezieht; was immerhin ein hübsch alberner Aspekt ist, gewiss aber keiner, der eine Unterstützung durch das Ministerium für albernes Gehen rechtfertigt. Da könnten die Retroläufer schon mehr Chancen haben. So nennen sich jene immer zahlreicher auftretenden Läufer, die von der Kurzdistanz bis zum Marathon sämtliche Wettläufe lieber rückwärts rennend bestreiten. Was an sich schon reichlich albern aussieht. Noch alberner ist jedoch die Begründung der Rückwärtsläufer für ihre Art der Vorwärtsbewegung. „Ein Rückwärtsmarathon könnte der gegenwärtigen aufgeputschten Kopfüberhast der Athleten Einhalt gebieten“, schrieb einer der Erfinder des Retrolaufs an das Internationale Olympische Komitee, um so für die Aufnahme des Rückwärtslaufs ins olympische Programm zu werben – angeblich will das IOC in dieser Angelegenheit das Ministerium für albernes Gehen um ein Gutachten bitten. Wenn aber Rückwärtsrennen tatsächlich dazu beiträgt, „den Vorwärtsstrom des Lebens zu unterbrechen“, wie die Retroathleten erklären, gebührt dieser albernen Gangart allenfalls der Rang einer katholischen Disziplin.
Wie man sich das sowieso mal fragen sollte: Gibt es eine typisch katholische Sportart? Bußgang vielleicht? Oder Rhönradfahren, wegen der gekreuzigten Grundstellung der Rhönradler in ihren Geräten? Und wie steht’s um die übrigen Weltreligionen? Ist Hindunislauf bloß ein albernes Wortspiel? Oder muss man sich die typische Sportart der Hindus eher als eine Art Gegenteil von Stierkampf vorstellen, weil sie doch das Rindvieh so verehren? Und welche ist die signifikante muslimische Sportart? Amoklauf? Nein, das ist immer noch die Sportart der Islamisten.
Und so albern und so fort. Ich gucke lieber Monty Python und ihre Erfindungen so herrlich alberner Sportarten wie Marathonlauf für Inkontinente, den Sprint der Orientierungslosen oder das Olympiafinale im Versteckspiel.