herr tietz macht einen weiten einwurf : Jede Menge Stellungen
Auch Herr Tietz will mit der anstehenden Fußball-WM seinen Reibach machen. Zur Not auf Kosten von Frau Tietz
Die „Public Viewing“-nahe Wohnung schäferstündchenweise zur Vermietung anbieten? Der Gattin einen verkehrsgünstigen Platz auf dem Stadionstrich besorgen? Sich selbst beim örtlichen Ludenverband noch schnell zum WM-Zuhälter umschulen lassen? In etlichen Haushalten der zwölf deutschen WM-Städte dürfte in diesen Tagen manche solcher Überlegung angestellt werden. Denn erst mit Anbruch des WM-Jahres 2006 scheint vielen Deutschen richtig bewusst geworden zu sein: Es sind ja nur noch wenige Wochen bis zum Anpfiff des vierwöchigen Fußball-Weltereignisses. Höchste Zeit also, sich zu kümmern, so man aus dem Standortvorteil, WM-Städter zu sein, Profit schlagen will. Die gewerbsmäßige Vögelei gilt dabei als eine der lukrativeren WM-Verdienstmöglichkeiten – in einer allerdings auch nicht gerade zimperlichen Branche. Schon deswegen zählt die Prostitution nicht unbedingt zu jedermanns Sache; ganz zu schweigen von jederfrau.
Aber es bieten sich bei dieser WM bestimmt noch etliche andere Möglichkeiten, wenigstens befristet in Lohn und Brot zu kommen. Als Teamchef der deutschen Mannschaft etwa. Nicht ganz auszuschließen ist schließlich, dass dieser Posten schon während des Turniers (gleich nach den Gruppenspielen) vakant und neu vergeben wird. In der Tat rechnet die Bundesregierung anlässlich des Turniers mit bis zu 60.000 neuen Jobs in Deutschland sowie einer zwei Milliarden schweren Belebung der Binnenkonjunktur insbesondere durch den WM-Tourismus.
Meine Lieblingsidee solch einer Konjunkturankurbelung kommt übrigens aus Dortmund. Dort planen, sie während des Turniers „mehrsprachige Taxistadtrundfahrten“ anzubieten. Intensiv geschulte Chauffeure sollen interessierte WM-Touristen zwei Stunden lang durch Dortmund kutschieren und ihnen dabei wahlweise in Englisch, Russisch, Türkisch und Arabisch die Sehenswürdigkeiten präsentieren. Als da wären – nein, ich will hier den aus aller Welt ins Ruhrgebiet eilenden Gästen nicht die Spannung und Überraschung nehmen. Die Ratsfraktion der Dortmunder CDU plädierte sogar dafür, die Sightseeingtouren „durch unsere schöne Heimatstadt“ auch auf Polnisch, Portugiesisch, Französisch und Spanisch anzubieten. Den WM-Gast möchte ich sehen, der nicht jetzt schon die Ausgabe von 60 Euro fest einkalkuliert. So viel nämlich soll die mehrsprachige Taxitour kosten, abgehend übrigens von Deutschlands malerischstem Hauptbahnhof, der der Dortmunder bekanntlich ist.
Ungleich interessanter und attraktiver, weil einfach ereigniskompatibler als der Job eines Dortmunder Stadtrundfahrers, schien mir auf den ersten Blick der eines Stadionleiters zu sein. Auf den Internetseiten der Nürnberger Arbeitsagentur, die ich gestern fleißig nach weltmeisterlichen Jobangeboten durchforstete, sah ich einen solchen gleich mehrfach nachgefragt: Leipzig, Hannover, Hamburg, Köln, Gelsenkirchen und Dortmund suchen offenbar händeringend. Einen Stadionleiter. Ich geriet ins visionäre Schwärmen. Wollte man das nicht immer schon mal sein – Chef eines WM-Geläufs samt einem es umgebenden Tribünengebäude mit allen Schikanen? Schlüsselgewaltiger über alle seine Blöcke, Lounges und Kabinentrakte? Flutlichtbevollmächtiger? Autorisiert auch, Rasensprenkler, Videowürfel oder Torschussgeschwindigkeitsanzeige in Betrieb zu setzen? Kapitän sozusagen einer dieser neuen, modernen deutschen Fußballarenen, ausgestattet möglicherweise sogar mit der Berechtigung, in ihnen Ehen zu schließen, Bestattungen durchzuführen und Neugeborene zu taufen? So malte ich mir das Berufsbild eines Stadionleiters zurecht und hätte mich fast beworben.
Doch denkste: Die Stadionleiter, die hier gesucht werden, sollen laut Stellenausschreibung lediglich die Gastronomien in den besagten WM-Stadien leiten. Statt also im Notfall den Befehl zu geben, die (hoffentlich vorhandenen) Paniktore zu öffnen, obliegt es diesen Leitern lediglich, die Fressluken der Stadienbesucher zu stopfen. Vielen Dank auch. Da schick ich meine Frau doch lieber auf den Strich.