herr tietz macht einen weiten einwurf : Vibrieren in der Ersatzpfeifentasche
Herr Tietz macht sich Gedanken über hochmoderne Kommunikationstechnik auf den Köpfen von Fußballunparteiischen
„Schiedsrichter, Telefon!“, riefen die Fußballzuschauer früher, wenn sie den Pfeifenmann ablenken oder ihn, was auch immer das bringen sollte, vom Spielfeld locken wollten. Es ist allerdings kein Fall überliefert, wonach das mal geklappt hätte und der Schiri tatsächlich in Erwartung eines angeblich dringenden Anrufs nervös geworden oder kurz mal vom Platz zur nächsten Telefonzelle geeilt wäre. Selbst der gereimte Zusatzbrüller „Deine Alte wartet schon“ hat da offenkundig nie was genutzt, weswegen diese Schiedsrichter-Verhohnepipelung ins Archiv der überflüssigen Fansprechchöre wanderte und dort allmählich vermodert.
In den heutigen Zeiten von Mobilfunk und Handys, die mitunter kaum größer sind als ein Rektalzäpfchen, ist durch einen Telefonanruf sowieso keine Sau mehr groß aus der Ruhe zu bringen – nicht mal die (auch längst nicht mehr ausschließlich) schwarze. Mit der entsprechenden Technik ausgestattet, könnte sich ein Schiri heutzutage auch während eines Spiels leichthin anfunken und sich zum Beispiel die neuesten Instruktionen aus dem Café King per Schiedsrichter-Message-Service (SMS) zukommen lassen, ohne dass einer im Stadionrund etwas merkte. Ein lautloses Vibrieren seines in der Ersatzpfeifentasche verstauten Minigeräts signalisierte ihm den Eingang einer Botschaft. Dann müsste er nur so tun, als wolle er sich zwischendurch vom ordnungsgemäßen Vorhandensein seiner Zweitpfeife überzeugen. In Wirklichkeit würfe er dabei aber bloß einen kurzen Blick auf das Display seines Telefons. Schon wüsste er, wie die aktuellen Wettquoten stehen.
Damit aber nicht genug zur heutigen Kohärenz von Fußballschiedsrichter und Telefon. In den letzten Champions-League-Begegnungen war zu beobachten, dass die Referees ein so genanntes Headset trugen. Ein Kopfgestell also mit einem Hörstöpsel dran sowie einem Minimikro, welches an einem backenwärts führenden Bügel neben der Sprechluke hängt. Über eine drahtlose Funkstrecke mit einem Handy verbunden, kann man auf diese Weise freihändig fernsprechen. Professionelle Telefonisten benutzen so was, um zur Nervositätsabfuhr beim Telefonieren einen Kugelschreiber in den Händen drehen zu können. Auch sieht man schon mal eins dieser zwangsagilen Würstchen aus dem mittleren Management damit rumlaufen, um so der Mitwelt seine ständige Erreichbar- und Wichtigkeit zu signalisieren. Und nun tragen plötzlich auch Schiedsrichter dieses irgendwie orthopädisch wirkende Kopfgestell. Damit sie „bei Gesprächsbedarf während des Spiels miteinander kommunizieren können“, hieß es. Nach dem testweisen Einsatz in Uefa-Cup und Champions-League will die Uefa über eine europaweite Einführung des Schiedsrichtertelefons entscheiden. Das Spiel kurz abpfeifen, flugs zum Assistenten sprinten und mit ihm hinter vorgehaltener Fahne alles Notwendige knapp und zackig bekakeln, dieser immer wieder schön anzusehende Vorgang wird möglicherweise ganz aus dem Fußball verschwinden.
Dann dauert es sicher nicht mehr lange, bis auch die Spieler nur noch telefonisch miteinander kommunizieren. Statt wie bisher „Vorsicht, Hintermann!“ zu rufen, schicken sie eine SMS. Doch erst mal werden die Fußballtrainerstäbe mobilfunktechnisch aufgerüstet. Mit dem Hockeytrainer Bernhard Peters ist da bereits ein Vorreiter in den DFB eingesickert. Auf einigen Fotos, die bei der Nominierung von Klinsmanns Wunschkandidaten verbreitet wurden, sah man auch auf Peters’ Dez ein Kopfset prangen. Bedenkt man zudem Klinsmanns Hang zu modernen Kommunikationsmitteln, besteht Anlass zu der Annahme, dass es demnächst an den Seitenlinien unserer Fußballplätze ähnlich affig zugeht wie jetzt schon beim American Football, wo vom Cheftrainer bis zum Muskelwart jeder ein solches Kommunikationstrumm übergestülpt hat. Möglicherweise steckt auch die Telekom dahinter, die ja ein großes Interesse daran haben könnte, dass die traditionellen Fußballtrainer-Insignien, Trillerpfeife und Stoppuhr, bis in den breiten Amateurbereich hinein um das des Headset gestützten Mobiltelefons erweitert wird.