heine und das gesetz : Die Unabhängigkeit ist dahin
Unabhängig. Endgültig. Da fehlt eigentlich nur noch ein Wort: eindeutig. Denn liest man das Düsseldorfer Stadtrecht, scheint keine Frage offen. Klar und deutlich steht dort geschrieben, dass die Jury, die den Träger des Heinrich-Heine-Preises kürt, „unabhängig und endgültig“ entscheidet. Aber was, bitteschön, bedeutet Unabhängigkeit, wenn Politiker später doch Einfluss auf die Entscheidung nehmen können? Richtig: Sie bedeutet nichts. Weil sie nicht existiert.
KOMMENTAR VON BORIS R. ROSENKRANZ
Unter Unabhängigkeit versteht man qua definitionem die Freiheit von Bindungen oder Weisungen. Die aber ist hier nicht mehr gegeben. Indem der Düsseldorfer Stadtrat erwägt, Handke den Preis nicht zu verleihen, obschon die Juroren es entschieden haben, macht er die Jury unfrei. Und stellt gleichzeitig deren Sachverstand in Frage. Eine Jury besteht in der Regel aus Mitgliedern, die Ahnung haben von dem, was sie tun. Allerdings ist auch dies in Düsseldorf nicht mehr gewährleistet. Offenbar interessiert Literatur etliche Juroren einen feuchten Kehricht. Sie lesen die zur Wahl stehenden Autoren nicht, stimmen aber mit ab. Sehr professionell.
Man würde dem Stadtrat wohl beipflichten, wenn er die Preisvergabe außer Kraft setzen würde, weil in der Jury zu viele Stümper sitzen. Aber darum geht es ja gar nicht. Es geht um Handke. Weil dessen Meinung den Politikern nicht passt, soll er den Preis nicht bekommen. Pardon, aber: gewählt ist gewählt. Wenn das nicht zählt, kann man die Jury gleich abschaffen. Dann müssten namhafte Mitglieder, die sich ernsthaft und seit Jahren mit Literatur befassen, auch nicht mehr ihre Reputation aufs Spiel setzen.
Eins jedenfalls ist klar: Mit der Unabhängigkeit wäre es dahin, entscheidet sich der Stadtrat nicht doch noch, dem Votum der Jury zu folgen. Dass das Stadtrecht überarbeitet werden sollte und planlose Juroren aus dem Gremium ausgeschlossen werden müssen – das versteht sich wohl von selbst.