hartz-proteste : Die Mühen der Ebene
Die Hartz-IV-Umsetzung begann gestern, wie das vergangene Jahr aufgehört hatte: mit Protesten. Im Unterschied zur Massenmobilisierung der Montagsdemonstrationen im Sommer des vergangenen Jahres bestätigte sich dabei ein Trend, der sich zum Jahresende andeutete: Die Proteste wurden deutlich kleiner – und dabei radikaler. Aber ihre Hochzeit ist vorbei.
KOMMENTAR VON RICHARD ROTHER
Der gestrige Protesttag war wie ein nochmaliges Aufbäumen der Aktivisten. Sie wollten den Start der Reform stören, mit der die bisherige Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfe-Niveau abgesenkt wird. Das ist ihnen zum Teil gelungen, sie konnten ein Zeichen des Protestes setzen – nicht mehr und nicht weniger.
Ansonsten startete die Reform relativ reibungslos, auch die Pannen halten sich, verglichen mit den Befürchtungen, in Grenzen. Kein Zweifel: Die bürokratischen Mühlen mahlen mehr oder weniger gründlich. An der berechtigten Kritik der Reform ändert das nichts. Zur Erinnerung: Zum 1. Januar trat nicht nur Hartz IV in Kraft, das viele Langzeitarbeitslose massiv belastet – auch die letzte Stufe der Steuerreform, mit der Besserverdienende überdurchschnittlich entlastet werden, ist nun Gesetz.
Auffällig an den gestrigen Protesten war dennoch, dass sich – im Unterschied zu den großen Demonstrationen des Sommers – nur relativ wenige Hartz-Betroffene beteiligten. Zum Teil ist das sogar verständlich, sie wissen: Hartz IV konnten sie nicht mehr verhindern. Längst lasten die Sorgen des Reformalltags auf ihren Schultern. Ist das Arbeitslosengeld II schon auf dem Konto? Müssen sie ihre Wohnung verlassen, einen 1-Euro-Job antreten, können sie sich das Haustier noch leisten?
Für die Hartz-Gegner dürften nun, da weitere Großproteste nicht in Sicht sind, die Mühen der Ebene beginnen. Betroffene wollen beraten werden, manch 1-Euro-Jobber möchte sich möglicherweise organisieren. Wenn sie auf diesen Gebieten überzeugende Angebote machen, könnten die Anti-Hartz-Aktivisten wieder mehr Zugang zu den – oft vereinzelten – Reformbetroffenen bekommen. Zudem sollten sie verstärkt auf die Hartz-Kritiker in den Parteien und Gewerkschaften zugehen. Denn eines ist im Hartz-IV-Jahr sicher: Die nächste Sozialreform kommt bestimmt.