hartz-chaos : Der Wahnsinn hat Methode
Hartz IV macht viele Berliner arm. So weit, so schlecht. So will es das Gesetz, das die ganz große rotgrünschwarzgelbe Reformkoalition forcierte. Und jetzt – bei der Umsetzung des Gesetzes – kommt es für die Betroffenen noch dicker: Oft liegen wahre Ämterodysseen hinter ihnen, bevor sie das bisschen Geld, das ihnen der Staat noch zuerkennt, in der Tasche oder auf dem Konto haben.
Kommentar von RICHARD ROTHER
Klar: Die so genannten Job-Center, die die Anträge auf Arbeitslosengeld II bearbeiten, sind mit der Flut der Formulare überlastet, und es braucht seine Zeit, bis das Geld überwiesen werden kann. Das Problem ist nur: Bisherige Sozialhilfeempfänger, die mit ihrem ersten ALG-II-Anfang Januar rechneten, konnten sich keine Rücklagen für schlechte Zeiten bilden. Oft haben sie nicht einmal einen Dispokredit.
Mit Überlastung ist ohnehin nicht alles entschuldbar, und mitunter drängt sich ein Verdacht auf: Der Wahnsinn hat Methode. Wenn etwa Studentinnen tagelang zwischen Sozialamt und Arbeitsamt hin- und hergeschickt werden, ohne Geld für ihre Kinder zu bekommen, dann ist dies genau der Verschiebebahnhof, der mit Hartz IV eigentlich beseitigt werden sollte. Die Bedürftigen werden so lange zwischen den Ämtern und Behördenzimmern hin- und hergeschickt, bis sie vielleicht entnervt aufgeben.
Dahinter steckt offenbar eine neue Philosophie des Sozialstaates, wie man sie mittlerweile auch bei Autoversicherungsgesellschaften beobachten kann: Ansprüche erst einmal ablehnen, penibel auf Formfehler achten und auf Zeit spielen. Wenn nur ein Zehntel der Betroffenen kein, weniger oder verspätet Geld bekommt, haben Firma und Behörde ordentlich Kosten gespart – und die Chefs bekommen ein dickes Lob. Auf Kosten der Betroffenen.
Von dieser Erkenntnis können sich die Arbeitslosen nicht viel kaufen. Ihnen bleibt also nichts weiter übrig, als beharrlich auf den Ämtern für ihre Rechte einzutreten: um zu kriegen, was ihnen zusteht. Wenig genug ist es ohnehin.
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