hamburger szene : Amoklauf zivilisiert
Zivilisiert ging es zum Abschluss der „Gewalt und Moderne“-Vortragsreihe im Hamburger Institut für Sozialforschung zu, beim Vortrag von Professor Vogl zum Thema „Gewalt und Wahnsinn. Amok – zur Geschichte von Gefahr und Gefährlichkeit“. Nach einer wortreichen Stunde besonnenen Nachdenkens über die Ökonomie der Gewalt und deren Verarbeitung in neuzeitlichen und modernen Gesellschaften wurde es dann sogar ein wenig unheimlich.
Hartnäckig buhlte da ein Herr, im Rahmen der etwas zaghaften Fragerunde, um Zustimmung für seine Befürchtung, „wir alle“ seien schon einmal Amok gelaufen, respektive täten dies ständig. Im Kopf selbstverständlich. Zumindest werde er das Gefühl nicht los. Ob diese Befürchtung sich auf die Erfahrung eigenhändiger imaginärer Tötungsexzesse oder doch eher auf ein pessimistisches Menschenbild beruft, wurde leider nicht deutlich.
Dass zumindest Anlass zur Sorge besteht, hatte sich zwei Tage zuvor am Altonaer Bahnhof beobachten lassen: Ein Pärchen stieg in den Bus und sofort setzte der männliche Teil zur verbalen Menschheitsvernichtung an. „Altonaer Bahnhof ist so scheiße, zu viel Menschen. Ich hasse Menschen, und in Altona sind immer scheiß viele. Ich würde am liebsten alle erschießen. Ich frag mich immer, warum Gott nach mir noch den Menschen erschaffen hat.“ Seine Begleiterin sah ihn fragend an: „Und nun?“ – „Ja, jetzt die Kinder abholen, nä?“ Auf jeden Fall unheimlich.ROBERT MATTHIES