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Archiv-Artikel

hamburger szene Camembert macht glücklich

In dem ehemals verrauchten, nun rauchfreien kleinen Raum drängen sich Engländer, Iren, Halbengländer, Halbiren, Halbnichtdeutsche, Halbwahldeutsche und Ungerndeutsche und trinken englisches Bier zu überteuerten Preisen. Ein schöner Brauch, gibt’s in der ganzen Welt, eine Diaspora geradezu, in jeder Stadt findet man eine – irische Kneipe. So auch hier, in unserer Hafenstadt.

Identitäten gehen auf, Identitäten gehen unter, je nachdem, wie viel Bier fließt, und zum Rauchen geht man nach draußen. Identitäten werden gesucht. Meckern gegen die Deutschen helfe schon mal gar nicht, das quadratische Denken habe auch sein Gutes. „So’n Ire kriegt zum Beispiel gar nichts gebacken“, sagt der irische Wahlhamburger überzeugt auf Deutsch, „und Ausdrucksfreiheit gibt’s hier auch. Bloß ein bisschen komplizierter is’ man halt.“

Und dann geht’s nach draußen, zum Rauchen. Halbe Schotten, halbe Iren, halbe Deutsche suchen nach Gesprächsthemen. Was Ernstes? – Nein, deutsch ist man nicht. Flirtig? – Nein, so englisch ist man auch nicht. Verklemmt? – Bestimmt nicht, Ire ist man ja auf gar keinen Fall. Und so unterhalten die Männer sich über Französinnen. Und es kommt was kommen muss. Betrunken, wie sie sind, reden sie ohne Rücksicht auf Verluste über Cunnilingus.

„Ist wie mit Käse“, sagt der Halbire, „nicht alles riecht gut, was gut schmeckt“, und ich beschließe, in meiner gespielten Versenkung zu bleiben. „Willst du wissen, was der gesündeste Käse ist?“, fragt der Halbengländer plötzlich interessiert. „Camembert“, sagt er zufrieden. „Macht nicht mal dick.“ Und seine Suche nach Identität hat ein glückliches Ende gefunden.

REBECCA CLARE SANGER