hamburger szene : Keine Angst vor Polizisten
Es ist einer der ersten vernünftigen Sonnentage dieses Jahres, und offensichtlich hat die Motorradsaison begonnen. Als ich gerade auf die Ampel zugehe, sehe ich ein winziges silbernes Motorrad auf dem Radweg heranrollen. Kein Motorroller und kein Moped, sondern ein richtiges Motorrad, nur ziemlich klein. Darauf hockt ein südländisch aussehender Mann um die 40 und hat das Visier hochgeschoben. Das Bild eines heulenden Wolfes ziert den Helm. Er lächelt mich an und weil ich sein Motorrad so lange angestarrt habe, muss ich jetzt auch was sagen.
Also sage ich ein bisschen lahm: „Cooles Motorrad.“ Ein paar Autos fahren vorbei. Er hat mich nicht verstanden: „Was?“ – „Cooles Motorrad.“ Er sagt „Danke“. Dann stehen wir da an der Ampel, und sie ist immer noch rot. Er entschließt sich, trotzdem rüberzufahren, weil kein Auto kommt. Sagt noch: „Hoffentlich bleibt das Wetter so.“
Er düst davon und ich gehe einfach hinterher, weil aus dem Tunnelloch noch immer kein Auto hervorlugt. Kaum bin ich auf der Straße, schnellt ein silberblauer BMW hervor. Ich tue so, als bemerkte ich ihn gar nicht, rette mich nur schnell auf die Verkehrsinsel.
Wenn es wenigstens die mit den weißgrünen Autos wären, die haben noch keine neuen Wagen und sind nicht so wichtig. Aber es scheint mit Polizisten wie mit Hunden zu sein. Solange man keine Angst zeigt, fühlen sie sich nicht provoziert und müssen keine Macht demonstrieren. Also gehe ich über die nächste Ampel gleich auch noch bei Rot.
Anna Nieweler