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Archiv-Artikel

hamburger szene Tauben-Schlag

Sonntagabend am Hamburger Hauptbahnhof. Ein Zug „hält Einfahrt“ hier, „die Türen schließen selbsttätig“ und „Vorsicht“ bitte dort. Touristen mit Rollkoffern, Pendler und Marine-Pinguine mit ihren unförmigen Rucksäcken schieben sich auf die Rolltreppen und über die Bahnsteige. Knapp einen Tag zuvor waren die Bahnsteige leer, die Rolltreppen standen still. Nur die Spezialisten der Polizei zogen jede Mülltüte aus den Abfalleimern und suchten in jedem Schließfach nach der anonym angekündigten Bombe.

Ein Intercity fährt ein auf Gleis 14, die Bremsen kreischen – plötzlich zerreißt ein Knall die Luft: Eine rote, feurige Kugel auf dem Dach des Zuges, eine Explosion. Für einen Moment steht alles still, der Knall verhallt.

Die Rolltreppen fahren weiter. „Meine Damundherrn auf Gleis 14: Willkommen in Hamburg.“ Keine Bombe, kein Sprengstoff im Gepäcknetz, sondern eine Taube auf der Oberleitung. Es hätte eine Bombe sein können. Es scheint, als wären die meisten Leute an diesem Tag auf dem Bahnhof sich dessen bewusst gewesen. Mit dem Geräusch noch in den Ohren drehen sich nur wenige Passanten immer wieder um, die meisten gehen weiter. „Da oben hängt sie“, sagt eine Frau, deutet zum Netz unter der Decke. Eine tote Taube, die an diesem Abend weniger für Mitleid als für Erleichterung sorgt. Zwei Bahn-Angestellte werfen einen prüfenden Blick auf die Oberleitung, dann kommt der nächste Zug.Johannes Himmelreich