hamburger szene : Socken fressen
Es ist wieder da gewesen. Hat in Schränken, Schubladen und Waschmaschinen gewütet, ohne dass man wüsste, wie man seiner Herr werden könnte. Alle kennen es, aber keiner nennt es bei Namen: Das Taschentuch-, Socken- und Kugelschreiber-Fresserchen ist wieder unterwegs in Hamburgs Norden. So unergründlich wie seine Routen, so unerfindlich seine Beweggründe.
Dabei beginnt das Mysterium/Martyrium meistens ganz harmlos: mit dem Versuch eines unbescholtenen Menschen nämlich, mehrere Paar Socken in der Maschine zu waschen und danach zum Zwecke der Trocknung dort wieder herauszuholen.
Sorgsam abgezählt – immer zwei und zwei – werden die kostbaren Fußbekleidungsstücke in die Trommel gelegt. Bald schon wird man sich wiedersehen, frisch gewaschen, weichgespült und nach Frühling duftend. Stunde um Stunde rattert alsbald die Maschine, kein Zeichen von Schwund liegt in der Luft. Hoffnungsvoll öffnet der Eigner dann das Gehäuse. Frohgemut beginnt er mit dem Aufhängen. Sorglos pfeifend nimmt er Socke eins – blau – sowie Socke eins – schwarz – heraus. Nummer zwei wird bald erscheinen. Er faltet und zerrt, trocknet und hängt.
Dann ist die Maschine leer. Keine Spur von Nummer zwei. Nur eine lang vermisste lila Socke, längst ohne Gegenstück, fand sich noch auf dem Weg. Und spätestens jetzt weiß der fortan Unbestrumpfte, was der Leser dieser Zeilen längst wusste: Das Fresserchen war wieder da.PETRA SCHELLEN