hamburger szene : Das Tapetenfresserchen
Er sieht aus wie ein Hund. Oder wie ein Bär. Vielleicht auch wie ein Kamel oder Reh, wer kann das schon genau sagen. Tatsache ist jedenfalls, dass er sich verändert hat, jener winzige Ausriss in der Tapete links unten neben der heimischen Bad-Tür.
Fest steht auch, dass man es nicht hat kommen sehen. Sich nichts dabei gedacht hat, bis einem irgendwann mulmig wurde: Verändert das Tapetenloch nicht täglich seine Form? Kommt dahinter nicht aufs Bedrohlichste schon raue Wand, gar nacktes Mauerwerk zum Vorschein? Nein, man hat sich geirrt, denkt man lange. Und redet sich den Verfall schön. Will nichts zu schaffen haben mit eventuellen Renovierungsgedanken. Dann aber, nach einem Jahr ungefähr, wird offenbar, was man lange verdrängte: Nicht nur die Tapete ist im Begriff, sich aufzulösen. Auch die zugehörige Fußleiste ist aufs Erheblichste gefährdet. Ja, wenn man genau ist, hat sie sich bereits zum Großteil von der Wand gelöst und führt ein interessantes Eigenleben.
Nun mag man das alles kreativ und lustig finden; eins beunruhigt einen aber nachhaltig: Wer ist eigentlich Urheber des Ganzen? Welches Wesen, welches Tier ist verantwortlich für derlei Auflösungserscheinungen – zumal sich keinerlei Mäusedreck zeigt? Der Holzwurm, zum Papier fressenden Gourmet geworden? Das Tapetenfresserchen? Der letzte überlebende Pistosaurier? Man weiß es nicht. Aber irgendwann kriegen wir ihn. Und dann Gnade ihm Gott!
Petra Schellen