hamburger szene : Bierdurst in Stellingen
Mittwochabend, S-Bahnhof in Stellingen. Die St. Pauli-Fans wollen schnell weg aus dem Feindesland rund um das HSV-Stadion. Mehr als ein mageres 0:0 ist gegen die zweite Mannschaft des HSV nicht herausgesprungen. In die erste Bahn kommen nur die rein, die entweder ganz vorne stehen oder besonders skrupellos drängeln. Macht nichts, denkt der Rest, denn in zwei Minuten soll die nächste kommen. Tut sie aber nicht. Auch nach fünf, zehn, fünfzehn Minuten – nichts.
Zum Glück sind Fußballgesänge simpel gestrickt und universell verwendbar. Der Chor der Wartenden hat sich schnell geeinigt: „Wir woll’n die S-Bahn seh’n, wir woll’n die S-Bahn seh’n, wir woll’n – wir woll’n die S-Bahn seh’n!“ Endlich ist tatsächlich eine Bahn in Sicht, zwanzig Minuten sind vorbei. Sie fährt in den Bahnhof ein, bremst leicht ab – und rauscht am Fanblock vorbei ohne anzuhalten. Leer. Spätestens da wittern die Fans die Verschwörung: „HSV, HVV – das ist doch alles scheiße.“
Einen Trost gibt es allerdings: „Zum Glück steigen wir auf, dann müssen wir uns das nächstes Jahr nicht noch mal antun“, freut sich einer der Fans. Murmelnde Zustimmung kommt von allen Seiten – echte Fans sind eben optimistisch, auch wenn sie dafür zur Not die schnöde Realität der Tabelle außer Acht lassen müssen. Nach dreißig Minuten erbarmt sich der HVV und fährt alle zurück in die Heimat, raus aus dem feindlichen Stellingen. Einer der St. Paulianer zieht das Fazit der letzten halben Stunde: „Hätten wir das vorher gewusst! Dann hätten wir wenigstens noch Bier holen können.“