hamburg heute : „Nicht alle Ursachen sind greifbar“
Vortrag in St. Nikolai: Wie die Hirnforschung unser Menschenbild beeinflusst
taz: Für den Laien gesprochen, Professor Zieger, welchen Aspekt der Hirnforschung beleuchten Sie in Ihrem heutigen Vortrag?
Prof. Dr. Andreas Zieger: Ich möchte kritisch darlegen, wie sich die Entdeckungen der Hirnforschung auf unser Menschenbild auswirken: Der Mensch wird auf seinen Bewusstseinszustand reduziert, das Hirn auf seine Materie und messbare Aktivitäten. Dieser Reduktionismus treibt die Forschung in eine wissenschaftliche Sackgasse. Nicht alle Ursachen sind naturwissenschaftlich greifbar: Oft ist weniger das „Erklären“ der Naturwissenschaft als das „Verstehen“ der Geisteswissenschaften gefragt.
Medizin trifft Geisteswissenschaft?
Ja, in meiner Arbeit mit Wachkoma-Patienten oder in der Psychiatrie stützen sich viele Ergebnisse auf die phänomenologischen Methoden. Mein Plädoyer gilt der Versöhnung der Disziplinen: Eine wissenschaftliche Methode darf nicht gegen die andere aufgewogen werden. Alle Wege müssen ausgelotet werden.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Forschung?
Ich denke, dass ein Verständnis komplexer Zusammenhänge nur durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit erreicht werden kann. Dabei sollte die Forschung nicht unser Menschenbild formen. Als Christ gesprochen: Wie wollen wir miteinander umgehen? NAVO
Das Gehirn als Beziehungsorgan – oder ist die menschliche Persönlichkeit auf neurobiologische Netzwerke reduziert? Hauptkirche St. Nikolai, 20 Uhr
Fotohinweis:Prof. Dr. ANDREAS ZIEGER, 59, Hirnforscher.