hamburg heute : SS-Offizier ohne Reue
Stephan Benson liest ab heute im jüdischen „Café Leonar“ Jonathan Littells „Die Wohlgesinnten“
Der Kunstgriff ist irritierend, aber folgerichtig: Die fiktive Autobiographie eines NS-Täters hat Jonathan Littell, ein amerikanischer Autor mit französischem Pass und jüdischen Wurzeln, mit den „Wohlgesinnten“ vorgelegt – und nachgeholt, was keiner der NS-Prozesse offenbarte: den Bericht über das Innenleben der Täter, deren Ambivalenz bislang nur gelegentlich aufschien.
Ohne Reue und frei von Scham berichtet SS-Obersturmbannführer Maximilian Aue in dem 2006 auf Französisch und 2008 auf Deutsch erschienenen Roman von seinen Morden in der Ukraine, in Auschwitz und im Kaukasus. Aue nimmt den Leser in dem 1.350 Seiten starken Roman als Komplizen an die Hand und schont ihn nicht. Er lässt ihm keine Chance, kaltes Morden mit Kindheitstraumata oder einem etwaigen Befehlsnotstand zu entschuldigen. Zugleich ist dieser Maximilian Aue intelligent, geistreich und kultiviert.
All das lässt der Autor nebeneinander stehen, ohne der Versuchung nachzugeben, Aue als kohärente Persönlichkeit zu fassen. Dass der Roman in Frankreich einerseits den renommierten Prix Goncourt bekam, andererseits gleichwohl umstritten war, ist da konsequent. Der Schauspieler Stephan Benson liest ab heute im jüdischen „Café Leonar“ aus „Die Wohlgesinnten“ – die weiteren 33 Folgen sind dann ab Sonntag, 9. 11., jeweils sonntags um 19 Uhr dort zu erleben. PS
20.20 Uhr, Café Leonar, Grindelhof 59