hamburg heute : Ohne Frühstück in die Schule
Die Böll-Stiftung veranstaltet eine Tagung zur Kinderarmut an Hamburger Schulen
taz: Frau Friedler, gab es in Ihrer Grundschulzeit eine Mittagsspeisung?
Bei mir im Hansa-Gymnasium gab es kein Essen. In dieser Zeit waren aber auch viele Mütter zu Hause. Außerdem galt Schulspeisung als anrüchig. Den Leuten ging es ja gut, sie waren zufrieden und satt.
Bekamen Sie denn ein Butterbrot mit?
Ja, und das musste ich selber schmieren. In der Clara-Grunwald-Schule, die ich leite, ist das ganz anders. Viele Kinder kommen ohne Frühstück hierher.
Wie essen diese Kinder zu Hause?
Oft gibt es keine regelmäßigen Mahlzeiten. Und unsere Sprachförderung am Nachmittag nehmen viele Eltern nur deshalb so gerne an, weil die Kinder hier kostengünstiges Essen bekommen. Manche können kaum diesen einen Euro aufbringen.
Sieht man den Schülern das an?
Armut wird nicht gerne gezeigt. Ob ein Kind nur Nudeln kriegt, sieht man nicht. Aber die Berichte der Zahnärzte zeigen, dass über die Hälfte Karies hat.
Was hilft gegen Kinderarmut: kostenlose Ernährung in Schulen oder die Erhöhung der Sozialleistungen?
Man müsste mehr Geld in öffentliche Angebote stecken. Auch die Ausschüttung des Kindergeldes sollte anders geregelt werden. Unsere Schule steht in einem sozialen Brennpunkt – die Eltern hier brauchen beides. An die Sozialleistungen würde ich aber nicht gehen. INTERVIEW: UG
20. / 21. November, Schule gegen Kinderarmut – Ernährung als Klassenfrage?, Mittelweg 11
ANGELIKA FIEDLER, 59, Schulleiterin