gottschalk sagt : Köln braucht mehr Autokorsos
CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag
Wenn es hier in Ehrenfeld am Wochenende Hupkonzerte gibt, dann weiß man: Dies ist eine türkische Hochzeit. Es sei denn, es ist gerade Fußball-WM. Manchmal ist es auch eine deutsche Hochzeit, oder es ist gerade Afrika-Cup. Meistens aber ist es eine türkische Hochzeitsgesellschaft, die im Autokorso durch die Gegend fährt und alle hupen, was die Batterie ihres Wagens hergibt.
Nachdem Kemal Atatürk die moderne Türkei erfunden hatte, erfand er noch flugs den Autokorso, weil bei früheren Jubelfeiern zufällige Verletzungen durch Krummsäbel überhand genommen hatten. Vielleicht war es aber auch der ADAC, der Kampfhundbesitzern eine angemessene Protestform an die Hand geben wollte oder der Deutsche Fußballbund oder auch der afrikanische. Was weiß ich.
Oft, wenn ich in Hamburg bin, bin ich ein bisschen neidisch auf die Hamburger. Der Fluss ist größer als unserer, die Köhlbrandbrücke ist viel beeindruckender als die Zoobrücke, das Telefonbuch ist dicker, das Meer ist näher, und sogar das dortige Proll-Bier, Astra-Pils, ist viel leckerer als Küppers-Kölsch. Anfang diesen Monats haben die Hamburger uns nun noch in einer weiteren Disziplin überboten: coole Anlässe für Autokorsos finden. Weltweit erstmalig fand in Hamburg-Altona ein Jubel-Korso anlässlich der Verleihung des Goldenen Bären auf den Berliner Filmfestspielen statt.
Liebe Mitbürger: Wo waren wir, als der Kölner Regisseur Jan Krüger 2003 in Venedig für „Freunde“ die Silberne Palme erhielt? Wir, die kommende Kulturhauptstadt. Wann wird der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels vergeben? Lasst uns einen Autokorso machen! Eine gelungene Inszenierung am Kölner Schauspielhaus? Autokorso!
Der automobile Jubel in Altona galt natürlich Fatih Akin, einem der sympathischsten Regisseure der Welt. Natürlich ein Hamburger. Er hat es geschafft, dass eine abgehobene Veranstaltung wie die Berlinale und eine doch eher prollige Ausdrucksform wie der Autokorso sich nicht mehr gegenseitig ausschließen. Ich höre schon Sprechchöre im Kinosaal: „Tarantino, wir wissen wo dein Auto steht“, „Es gibt nur ein' Kurosawa...“ oder: „Wir wollen schön fotografiertes Kino, das in eindringlichen Bildern packende Geschichten erzählt, olé!“