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Archiv-Artikel

gottschalk sagt Aberglaube rein rechnerisch

CHRISTIAN GOTTSCHALK:Die Kolumne am Donnerstag

Ein Lieblingswort von Fans des 1. FC Köln in den letzten Wochen hieß „rechnerisch“. Bei unverbesserlichen Skeptikern hieß es auch mal „rein rechnerisch“. Ich, ein Fußballbanause allererster Kajüte, habe in den letzten Wochen verschiedene Leute gefragt, wie es um den FC so stehe und was jetzt mit dem Abstieg sei. Man muss ja auch für die abstrusen Leidenschaften seiner Freunde bisweilen, wenn schon kein wirkliches Verständnis, dann doch wenigstens so etwas wie Interesse aufbringen. Das gehört zu einer Freundschaft einfach dazu. Besonders, wenn sich Leute auch für mich interessieren. Also speziell, wenn Leute mich fragten: „Und wie läuft es so finanziell bei Dir?“ oder „Sag mal, hast Du eigentlich zugenommen?“, erkundigte ich mich auch gerne mal nach „ihrem“ Verein.

Immer wieder hörte ich: Der Klassenerhalt sei „rechnerisch“ möglich und deshalb auf jeden Fall noch drin. Mit dem Eifer von Leuten, die beweisen wollen, dass sie nicht verrückt sind, rechneten sie es mir gerne anhand der noch ausstehenden Spiele vor. „Schau! Wir müssen nicht absteigen!“. Sie sahen mir in die Augen und sagten: „Ich glaube, nein ich weiß! Wir packen das noch!“ Man sieht Leuten aber genau an, wenn sie sich selbst belügen. Sie haben dann einen Gesichtsausdruck wie: „Ich habe eine sehr seltene Sorte von Magenkrebs, aber amerikanische Wissenschaftler haben eine ganz neue Behandlungsmethode gefunden, und wenn ich nur daran glaube, wird schon alles gut gehen.“ So zwischen tapfer und verzweifelt. Oder wie Politikstudenten im 24. Semester mit klasse Nebenjob, die sagen: „Nach dem Sommersemester zieh‘ ich mein Studium durch“. So zwischen Selbstsuggestion und Resignation.

Und wo der Glaube nicht mehr hilft, entsteht der Aberglaube. So glaubten nacheinander zwei Freunde von mir, für Niederlagen des FC höchstpersönlich verantwortlich zu sein. Im Grunde vernunftbegabte Wesen, waren beide überzeugt, der Verein verlöre stets dann, wenn sie im Stadion wären. Klingt wie eine Psychose: „Podolski stürmt, er steht allein vor dem Tor, da scheint ihn in der Südkurve etwas (oder jemand?) aus dem Konzept zu bringen, er verstolpert, schaaaade!“

Ist aber im Grunde eine harmlose Form des Aberglaubens: Ich glaube zwar nicht wirklich dran, aber schaden kann es nicht.