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Archiv-Artikel

gottschalk sagt Bitte nicht mehr das W-Wort

Scheiße, ich habe gewonnen. Mein „Fußball im WM-Design“ wird mir demnächst von der Telekom zugeschickt. Haben sie den Ball im WM-Design mal gesehen? „Always Ultra“ scheint Hauptsponsor zu sein. Vielleicht hilft das der Mannschaft auch während der schwierigen Tage. Ich kann das Wort „Fußball“ einfach nicht mehr hören und „WM“ erst recht nicht, und ich werde keinesfalls über die WM schreiben, nicht mal über diese ganzen Deutschlandfahnen an den Autos, verbrennen sollte man die alle, die Scheiß-Flaggen.

Eigentlich wollte ich ein Cabrio-Wochenende inklusive Vollkasko und 1.500 Freikilometern gewinnen, habe aber die Preisausschreiben verwechselt. Wegen der Räumung des Barmer Viertels hatte man mich nämlich um fünf Uhr geweckt. So war ich müde und unkonzentriert, habe mich auf der Internetseite der Telekom verklickt, und jetzt gehört mir dieser blöde Ball. An dem anderen Preisausschreiben habe ich dann auch noch teilgenommen, wenn ich gewinne, darf ich ein Wochenende lang 3er BMW oder Mercedes CLK fahren. Ich glaube, ich nehme den Benz. Wenn schon, denn schon.

Das besetzte Barmer Viertel wurde nun also doch noch knapp vor – nein, nicht schon wieder „The W-Word“ – den herannahenden Ereignissen geräumt. Mit 400 Polizisten und einem billigen Trick statt eines Räumungstitels. Die Häuser sollen jetzt abgerissen werden, um richtig Gewinn mit dem Gelände machen zu können. Das heißt nach alter Kölner Kaufmanns-Sitte: Die Stadt kauft ein Gelände teuer an, verkauft es dann billiger weiter und ein paar Leute machen richtig Gewinn. Aber angeblich stehen die Investoren ja Schlange.

Das glaube ich allerdings nicht, schon weil es mit Köln derzeit bergab geht und zwar steil: Podolski geht nach München und „Conrad Electronic“ zieht vom Zülpicher Platz in der Innenstadt nach Marsdorf, das ist kurz vor Frechen. Was ist denn das für ein Investitionsklima? Ein großer Sohn der Stadt wird an die Feinde verkauft und der Treffpunkt, das Innovationscenter möchte ich fast sagen, für Frickler, Jugend-forscht-Jugendliche, Drehwiderstand-irgendwo-Einbauer, Funk-Scanner-Hobbyisten und Schatz-ich-bin-mal-im-Keller-Ehemänner, das Mekka der Modellbauer, das Adapterparadies, der Lüsterklemmen-Louvre, ein Ort für Typen, die so cool sind, dass sie ihre Hosenklammern nicht abnehmen, wenn sie den Laden betreten, zieht in ein unwirtliches Industriegebiet am Rande der Stadt. So geht‘s zu bei uns in Köln.

Meine 1.500 Freikilometer werde ich natürlich komplett in NRW verfahren. Sie erkennen mich: Ich bin der Typ im Cabrio, der sich gleichzeitig freut und ein bisschen schämt.

Fotohinweis: CHRISTIAN GOTTSCHALK lebt in Köln und sagt die Wahrheit – alle zwei Wochen in der taz