piwik no script img

Archiv-Artikel

gewerkschaften Mach nicht den Peters!

Ein Tag, drei Nachrichten. Nächste Woche wollen die beiden Metallgewerkschaftler Jürgen Peters und Hasso Düvel bekannt geben, ob sie wegen ihres desaströsen Streiks im Osten auf ihre Ämter verzichten. Auf einer SPD-Wirtschaftstagung ermuntert Gerhard Schröder die Gewerkschaftler, umzulernen und sich zu modernisieren. Und in Berlin einigt sich die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di mit dem Senat als Arbeitgeber auf einen ausgesprochen moderaten Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst.

Kommentarvon HEIKE HOLDINGHAUSEN

Für Ver.di-Chef Frank Bsirske waren die abschließenden Verhandlungen brisant. Er lief Gefahr, den Peters zu machen – also sowohl die öffentliche Meinung als auch seine Funktionärskollegen und die Gewerkschaftsmitglieder gegen sich aufzubringen.

Man könnte das alles zu einem Kommunikationsproblem erklären: Ein paar Flugblätter und Pressekonferenzen mehr, und die Öffentlichkeit hätte verstanden. Hätte sie aber nicht. Es ist mehr als eine PR-Frage: Die Gewerkschaften stecken in einer strategischen Zwickmühle. Den Ansprüchen der Arbeitgeber begegnen sie mit Verständnis. Gleichzeitig aber müssen sie selbstbewusst die Interessen der Arbeitnehmer vertreten. Sobald sie die Partei der einen ergreifen, stoßen sie die anderen vor den Kopf. Derweil entgehen die Arbeitgeber einem solchen Dilemma mit der fröhlichen Devise: Was gut für uns ist, ist auch gut für die anderen.

Das Problem ist: Sogar Gewerkschaftsmitglieder haben diese Deutung in der letzten Zeit akzeptiert. Nur sehr verhalten wehrten sie sich gegen den Vorwurf, lediglich Partikularinteressen zu vertreten. Ob das stimmt, will ein nervöses Publikum angesichts immer neuer Horrornachrichten von Arbeitsämtern und Konjunkturforschern gar nicht mehr wissen. Als unsichtbarer Dritter wird es bei künftigen Tarifverhandlungen stets mit am Tisch sitzen – und zwar auf Seiten der Arbeitgeber.

Wie sehr die Gewerkschaften in die Defensive geraten sind, zeigt der Berliner Tarifabschluss. Ver.di hat sich nicht aus Einsicht in Notwendigkeiten auf den Senat zubewegt. Sondern aus der Erkenntnis, dass jede andere Haltung für Frank Bsirske und seine Mannen derzeit politischen Selbstmord bedeutet hätte. Nach dem gescheiterten Streik der IG Metall können die Gewerkschaften Forderungen nur noch behutsam stellen. Zumindest in nächster Zeit werden sie aus dieser Position der Schwäche nicht wieder herauskommen.

nachrichten SEITE 2