gelöbnix-highlights : Nackedeis zum Appell
1996 hatte die Bundeswehr erstmals seit der Nachkriegszeit an eine preußische Militärtradition angeknüpft und in der alten, neuen Hauptstadt wieder ein öffentliches Gelöbnis abgehalten. Für viele vor allem links und liberal eingestellte Westberliner ein Affront – waren sie bis zur Wende doch keine Wehrpflicht gewohnt und kannten Uniformen nur von freundlichen GIs. Das erste Gelöbnis endete vorm Schloss Charlottenburg mit Fanfare für eine Zwergenarmee – das der Bundeswehr zwei Tage später in einer Straßenschlacht zwischen Polizisten und Demonstranten.
1998 wurde das feierliche Militärzeremoniell vor dem Roten Rathaus abgehalten. Wieder kam es zu Protesten, an deren Spitze sich der noch nicht amtierende Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) stellte. „Wer öffentliche Gelöbnisse veranstaltet, muss sich selbst über Rechtsradikale und Neonazis in der Armee und in der Gesellschaft nicht wundern“, wetterte er.
1999 fand das Gelöbnis im Bendlerblock statt, mittlerweile Sitz des Bundesverteidigungsministers. 30 Demonstranten mischten sich unter die Zuschauer, zogen ihre Oberteile aus und spannten Regenschirme auf, worauf das berühmte Tucholsky-Zitat stand: „Soldaten sind Mörder.“ Im Publikum: Trittins Parteifreundin Angelika Beer. Während der inzwischen zum Bundesumweltminister degradierte Grüne nicht mehr auftauchte, fand Beer die Proteste der Kriegsgegner „total daneben“.
2000 bauten Demonstranten ein mobiles Wohnzimmer auf und blockierten Gelöbnis-Gäste den Zugang zum Bendlerblock. Wieder gab es aufgespannte Regenschirme. Die Aufschrift dieses Mal: „Tucholsky hat Recht.“
2001 fuhren zwei Aktivistinnen mit einer gemieteten Luxuslimousine vom Hotel Adlon zum Bendlerblock und gaben sich als die Töchter des damaligen Verteidigungsministers Rudolf Scharping aus. Obwohl sie keine Einladung hatten, wurden sie durchgelassen. Im Bendlerblock ketteten sie sich an einen Zaun und nervten mit Alarmsirenen.
2003 tarnten sich 20 DemonstrantInnen als Jogger und Griller im Tiergarten und überwanden im Laufschritt die Sicherheitsabsperrungen. Zur gleichen Zeit protestierten drei Aktivisten vom Botschaftsdach der Vereinigten Arabischen Emirate. Sie hatten sich zwei Tage lang im Lüftungsschacht versteckt.
2004 rannten bei der Gelöbnisformel Aktivisten von der Pressetribüne über den Appellhofplatz. Seitdem werden nur noch ausgewählte Pressevertreter zugelassen. Es war die vorerst letzte Störaktion. FELIX LEE