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Archiv-Artikel

geld gegen rechts Billige Notbremse

Es klingt wie eine Heldentat. Trotz knappster Haushaltskassen macht die Bundesregierung 5 Millionen Euro locker, um Programme gegen rechts zu finanzieren. Also: Bravo, Beifall, Dankbarkeit? Nun ja. Natürlich ist es richtig, die zu unterstützen, die sich vor Ort den Neonazis stellen, die den Opfern rechter Gewaltattacken helfen. Die versuchen, Jugendlichen eine Alternative zu den Verlockungen der Rechtsextremen anzubieten. Da muss man sagen: Jede Spende hilft und ist ein gutes Beispiel für die knausrigen Länder und Kommunen. Trotzdem besteht wenig Anlass, Rot-Grün zu loben.

KOMMENTARVON LUKAS WALLRAFF

Denn es war ja diese Regierung, die bis vor einer Woche plante, die Fördergelder für Programme gegen rechts zu kürzen. Dass der Wahlerfolg der NPD in Sachsen und die darauf folgende Debatte nötig waren, um diese Fehlentscheidung wenigstens zu korrigieren, zeugt von großem Willen – zum Wegschauen. Jeder, der es wollte, konnte längst vor dem vergangenen Sonntag sehen, lesen, hören, wie es den rechten Menschenfischern Stück für Stück gelang, den öffentlichen Raum in ganzen Landstrichen, etwa in der Sächsischen Schweiz, zu okkupieren. Erst jetzt, da sich diese Entwicklung beim schlechtesten Willen nicht mehr übersehen lässt, reagiert Rot-Grün in Berlin – mit einer späten, ziemlich billigen Notbremse. Eine Aufstockung der Mittel scheint selbst jetzt noch zu viel verlangt.

Noch so viel Geld hilft freilich wenig, wenn die großen Volksparteien ansonsten weitermachen wie bisher. Wenn sie „Extremisten“ von links und rechts in einem Atemzug verteufeln. Und: Wenn sie eine Politik betreiben, die darauf abzielt, den „rechten Rand“ durch inhaltliche Annäherung zu „integrieren“. Wenn die demokratischen Parteien also versuchen, die rechten Wähler rechts abzuholen. Und das tut Innenminister Schily, der wochenlang damit beschäftigt ist, einen einzelnen Islamisten wie Kaplan zu jagen. Der trotz sinkender Asylbewerberzahlen so tut, als seien Flüchtlingsströme aus Afrika das Hauptproblem. Damit gibt er, auch wenn er das Gegenteil bezweckt, den Rechtsextremen Futter. Weil er ihre Themen zu zentralen Themen erklärt, statt Aufklärung zu leisten.

Nicht 9 Prozent für Rechtsextreme sind gefährlich. Damit können auch andere Demokratien leben. Vielleicht muss man sich daran in Deutschland schlicht gewöhnen. Gefährlich ist es, wenn wegen 9 Prozent für die NPD die ganze Politik nach rechts rückt. Dann kann man sich auch Fördergelder sparen.