gefangenen-austausch : Unter falschen Bedingungen
Dass 400 palästinensische Gefangene endlich auf freien Fuß kommen, ist zweifelsohne zu begrüßen. Falsch sind aber die Bedingungen ihrer Entlassung. Israel hätte die Inhaftierten, die allesamt nicht unmittelbar an Terroraktionen beteiligt waren, schon längst als Geste an die palästinensische Führung freilassen müssen. Dies wäre ein strategischer Schritt gewesen, den Friedensprozess voranzutreiben, und hätte die palästinensischen Premierminister gegenüber ihrem starrsinnigen Präsidenten Jassir Arafat gestärkt. Aber das blieb aus, als Premierminister Mahmud Abbas diese Rückendeckung nötig gehabt hätte, um sich gegen die radikalen Strömungen in der palästinensischen Innenpolitik durchzusetzen. Und es ist auch nicht passiert, als sich Abbas’ Nachfolger Ahmed Kurei mit seinem israelischen Amtskollegen Ariel Scharon zur Umsetzung des internationalen Friedensplans „Road Map“ verpflichtete.
KOMMENTAR VON SUSANNE KNAUL
Stattdessen heißt der Gewinner Hassan Nasrallah, Chef der Hisbollah-Miliz. Er ließ wenige Monate nach dem einseitigen Abzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon drei Soldaten und einen Zivilisten entführen und kassiert dafür nun den großen Preis. Noch bevor der Gefangenenaustausch über die Bühne ging, rief er die arabischen Führungen auf, ihm Listen mit noch inhaftierten Landsleuten zukommen zu lassen, deren Befreiung er sich annehmen werde. Weitere Entführungen stehen also ins Haus – diesmal mit Ankündigung. Wie zynisch.
Niemand kann garantieren, dass die 400 Exhäftlinge auch in Zukunft den bewaffneten Widerstand meiden. So entwickelten sich Palästinenser, die ebenfalls „kein Blut an den Händen hatten“ und 1985 bei einem Gefangenenaustausch freikamen, zu den zentralen Figuren der zwei Jahre später beginnenden Intifada. Aber mit einer freiwilligen Amnestie, nicht einer erpressten Freilassung, hätte Israel wenigstens die Chance wahrgenommen, in einen Dialog mit den Palästinensern einzutreten: Die moralische Verantwortung von Häftlingen, die im Namen des Friedens ihre Freiheit wiedererlangen, hätte die Abkehr vom Widerstand verlangt.
So enthält das, was auf den ersten Blick wie eine gelungene humanitäre Aktion aussieht, tatsächlich eine falsche Botschaft: Israelis zu entführen lohnt sich. Die gestern ausgetauschten Palästinenser schulden Nasrallah Dank, ihrem neuen Helden, dem gelang, woran die eigene Führung scheiterte.