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Archiv-Artikel

fußpflege unter der Grasnarbe Ehre, wem Ehre gebührt

Ehrengäste und Ehrenpräsidenten nehmen auf Ehrentribünen Platz, ausgeprägter Ehrgeiz ermöglicht die Teilnahme an zahlreichen Siegerehrungen und Ehrentreffer euphemisieren und mildern die deftigsten Niederlagen. In keinem anderen Feld der deutschen Sprache verfügt der Begriff „Ehre“ über eine vergleichbar anhaltende Präsenz und auffällige Anwendungshäufigkeit wie in der Sprache des Fußballs. Mittlerweile in Verbindung mit einer gehörigen Portion Willkür, ist man geneigt an dieser Stelle einzuwerfen.

Lässt man heutzutage seinen Blick über manche Ehrentribünen schweifen, kommen einem durchaus Zweifel, ob hier Männer in adretter Begleitung honoris causa oder eher pecuniae causa sitzen.

Auch die Schützen von Ehrentreffern zeigen keine Scheu, sich mit dem Ausspruch eines französischen Königs „Tout es perdu, fors l‘honneur“ („Alles ist verloren, nur die Ehre nicht“), nach 1:6-Klatschen oder ähnlich zitieren zu lassen und verstricken sich doch in ein Paradox. Müssten sie doch wissen, dass sich Torerfolg wohl weniger mit nimmermüdem Ehrgeiz begründen lässt, als vielmehr auf die Nachlässigkeit oder sogar auf das Mitleid des siegreichen Gegners zurückzuführen ist.

Dagegen haben Nationalmannschaftsdebütanten und die Neuzugänge bei Vereinen geradezu die Pflicht, ihrem späteren Wirken auf dem Platz die reflexartig geäußerte Floskel „Es ist eine Ehre für mich, für ... zu spielen“ vorauszuschicken. Der Fan und das Volk fordern diese Äußerung vorab als Vertrauensbeweis wie ein unsicher verliebtes Wesen, das seinen Partner mit der Frage „Liebst du mich?“ konfrontiert und ein klares „Ja, ich liebe dich“ erwartet.

Auch kurz vor ihrer Entlassung stehende Trainer versuchen in einem Akt der Verzweiflung, ihre Schützlinge in den Mannschaftssitzungen vor den alljährlich anstehenden Schicksalsspielen noch einmal an deren Ehre zu packen. Erfolgreich ist diese Maßnahme nur selten. Wie auch? Wird die „Ehre“, dieser hehre symbolische Wert, im spätkapitalistischen Fußball einfach missbraucht?

„Uns Uwe“ – für den Pauli-Fan natürlich „Euch Uwe“ – Seeler würde in Zeiten der Schwalben, des Ballwegschießens, der Rudelbildung und der Eskapaden der Fußballstars diese Frage mit einem klaren „Ja“ beantworten. Der 66-Jährige hat die höchste symbolische Weihe des deutschen Fußballs mit dem Titel „Ehrenspielführer“ bereits verdientermaßen erhalten. Seine vor kurzem veröffentlichte Autobiographie kann als unspektakuläre Anleitung zur Gewinnung äußerster Wertschätzung und Selbstachtung gelesen werden. Das Buch war aber sicherlich nicht der Grund dafür, dass er in Kürze auch noch mit der Ehrenbürgerschaft der Stadt Hamburg ausgezeichnet werden wird. Denn schon Berti Vogts ließ uns – einen Journalisten zitierend – wissen: „Fragen der Ehre werden nicht mit Worten entschieden.“ Sondern mit Taten und dem Unterlassen von Taten.