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Archiv-Artikel

frisches flimmern Gottes Würfel

Das Leben ist unberechenbar. Drei Filme zeigen, wie die Protagonisten langsam ihre Perspektiven verlieren.

Scheitern

Zwei Welten prallen im winterlichen Istanbul aufeinander. Der erfolglose Fotograf Mahmut (Muzaffer Özdemir) lässt einen Verwandten aus seinem Heimatdorf bei sich wohnen. Der lebensfrohe Yusuf (Mehmet Emin Toprak) will auf einem der Schiffe im Hafen anheuern. Doch Arbeit findet er dort keine. Auch der geschiedene und einsame Mahmut erkennt langsam, dass sein festgefahrenes Leben in der Stadt keine Perspektive mehr bietet. Seine Welt bricht aus den Fugen. Mahmut und Yusuf sind Mitte dreißig und trotz ihrer unterschiedlichen Lebensweisen sind beide gescheitert – der Schmelztiegel Istanbul bleibt für sie kalt und grau.

Der türkische Regisseur Nuri Bilge Ceylan hat mit seinem preisgekrönten Film „Weit“ eine wortkarge Tragikomödie über existentielle Krisen im Leben geschaffen. Es ist der letzte Teil einer großen Trilogie über die Unterschiede zwischen Land- und Großstadtleben. Ceylan erzählt vom gesellschaftlichen Zusammenleben in der Türkei, aber auch von Arbeit und Liebe.

Zusammenbruch

Eine scheinbar heile und glückliche Familienwelt bricht zusammen. Im Jahre 1950 lebt Vera Drake (Imelda Staunton) zufrieden mit ihrem Ehemann Stan (Phil Davis) und den erwachsenen Kindern Sid (Daniel Mays) und Ethel (Alex Kelly) in einem Londoner Arbeiterviertel. Vera arbeitete als Putzfrau, Stan als Mechaniker. Sid ist Schneider und Ethel steht am Fließband einer Fabrik, er testet Glühbirnen. Doch Vera hilft noch heimlich verzweifelten Frauen unentgeltlich bei ungewollten Schwangerschaften. Als eine der Abtreibungen misslingt und das junge Mädchen ins Krankenhaus muss, kommt Veras verbotene Tätigkeit als „Engelsmacherin“ ans Licht. Sie wird vor Gericht gestellt und ihre idyllische Familienwelt gerät durcheinander.

Mike Leigh (“All or nothing“) widmet sich wieder seinem Lieblingsthema Familie. Letztes Jahr gewann er mit seinem Frauenportrait „Vera Drake“ in Venedig den Goldenen Löwen für den besten Film.

Aufstehen

Eine Welt im freien Fall. Der Konzernchef Tan Siekmann galt als der deutsche Bill Gates. Mit seiner Aktiengesellschaft Biodata erlebte er einen raketenhaften Aufstieg an der Börse. Doch plötzlich war alles vorbei. Mit dem Zusammenbruch des Neuen Marktes folgte der Absturz in die Mittelmäßigkeit. „Ich brauche keinen Ferrari mehr, den Learjet habe ich auch verkauft. Ich konzentriere mich jetzt wieder auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Ein Porsche Boxter reicht mir vollkommen“, sagt Tan einmal. Geld für die letzten Angestellten ist nicht da. In seinem neuen Dokumentarfilm „Weltmarktführer – Die Geschichte des Tan Siekmann“ portraitiert Regisseur Klaus Stern (“Andreas Baader - Der Staatsfeind“) diesmal die Geschichte eines wahnwitzigen und mitunter realitätsfernen Phantasten.

Über ein Jahr lang begleitete er den Idealisten Tan Siekmann mit seiner Kamera und erzählt von seinem Neuanfang und dem Weg zurück in die Weltmarktführerschaft, denn mittlerweile geht es mit seiner Firma wieder aufwärts. „Es wäre ganz einfach gewesen, Tan Siekmann an die Wand zu nageln, aber das war nicht meine Intention“, sagt Filmemacher Stern.