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Archiv-Artikel

frau schwab lernt polnisch (2) Die Stunde der Ehrlichkeit

Die taz macht fit für den EU-Beitritt Polens am 1. Mai: Lernen Sie Polnisch mit Lehrer Artur Kolasiński und taz-Reporterin Waltraud Schwab. Zweite Stunde:

Es muss einen Sinn gehabt haben, dass Herr Kolasiński die letzte Stunde mit dem Wort „przeprascać“ (sprich: pschäpraaschatsch) – sich entschuldigen – beendete. „Pschäpraascham“, sage ich, als ich verspätet die Tür zum Klassenzimmer der Volkshochschule Mitte öffne. Ich sage es so leise, dass niemand es hört. Noch nicht einmal ich selbst – schließlich könnte es falsch konjugiert oder gar falsch ausgesprochen sein. Zu spät komme ich, weil meine Schlüssel unauffindbar waren. Am Ende stellt sich heraus, dass der Schlüsselbund – „komplet“ (koomplät) – im Fahrradschloss fünf Stunden Kochstraße überdauert hat.

Als ich das Klassenzimmer in der Linienstraße betrete, befinden sich die anderen mitten in dem meditativen Singsang, den Kolasińskis Ausspracheübungen erzeugen. Dabei werden jedes Mal 300 Wörter gelesen, deren Bedeutung wir gar nicht kennen: Brzeg, ważny, brzuch, rośżny, żart, grzyb, różowy … Das „Bschäg-waaschni-bschuch-rooschni-schart-gschib-roschoowi“ füllt den Raum wie Musik.

Kolasińskis Methode ist super: Die ständig wiederholten Wörter prägen sich wie Ohrwürmer ein. „Budynek“ ist eines, das auf der Liste steht, und das ich seither nicht mehr vergesse. Weil ich dem Rat, mir in Polen ein Wörterbuch zum halben deutschen Preis zu kaufen, noch nicht gefolgt bin, suchte ich eines im Internet. Erfolglos übrigens. „Budynek“ bleibt vorerst ein Rätsel.

Nach der musikalischen Einstimmung legt der Lehrer sein rasantes Unterrichtstempo vor. Aus den Verbkonjugationen von letzter Woche werden nun Sätze gebildet. Wir lesen hier. – „Czitamy tutay.“ (tschitaami tuutai). Ihr wartet dort. – „Czakacie tam.“ (tschakaaschi tam). Mich trifft der Satz: „Entschuldigung, ich heiße Schwab.“ Stockend kommt es: „Pzreprascam się nazywam Schwab.“ (pschäpraascham schi nasiiwam Schwab). Der Nachname bringt Polinnen und Polen zum Kichern. „Schwab“ ist deren Schimpfwort für die Deutschen. Lustig ist das nicht.

„Die Betonung hilft, die vielen Konsonanten auszusprechen“, assistiert uns Kolasiński bei den Zischlautverdrehungen, die er sich anhören muss. Wenn schon einmal ein Vokal da sei, solle man ihm auch genügend Beachtung schenken. „Ist keiner da, dann tut es auch eine Pause“, meint der Lehrer, der zudem mit dem Bekenntnis überrascht, dass er uns belügen müsse. „Würde ich Ihnen alles sagen, säßen Sie in zwei Wochen nicht mehr hier.“

Jetzt, wo wir Verben schon konjugieren, ist die Verneinung dran. Anders als im Deutschen sei das im Polnischen kein Problem, sagt unser Lehrer. Mit einem vorangestellten „nie“ (njä) klappe es immer. Aus „czytam tutaj“, ich lese hier, werde so „nie czytam tutaj“, ich lese nicht hier. Noch Fragen? „Nie pytanie“ – Keine Frage, sagt eine Schülerin. Kolasiński wird rot. „Treffer“, meint er, „vergessen Sie das, es funktioniert so nicht. Sie haben mich beim Lügen erwischt.“ Die Anwesenden tragen es mit Fassung, denn schon zieht es Kolasińki zu neuen Ufern: den Substantiven. Die kennen zwar keine Artikel, wohl aber Geschlechter. Wie am Mensch die Genitalien, so hängen das Weibliche, Männliche, Sächliche im Polnischen am Wort. Das -a am Ende kommt als Vulva daher. Kneipa, gazeta, apteka: weiblich. Die Konsonanten wiederum sind die Testikel. Student, bar, hotel – alles männlich. Für das Sächliche – das Intersexuelle – sind das -o, das -um und das -ie reserviert, wie in „museum“. Und weil wir gerade dabei sind, gibt uns Kolasińki als Präsent die Adjektive dazu. In der Grundform immer männlich, kopieren sie ansonsten das Geschlecht wie ein Chamäleon. Einfach, oder? Also: Was ist das? – „co to jest?“ (tzo to jest) Konzentriert antworten wir: To jest nowa apteka – das ist die neue Apotheke.

Bleibt zu sagen, dass ich einen Schulfreund habe: Peter. Wie schon letztes Mal gehen wir am Ende gemeinsam bis zur Oranienburger Straße.

Fragen? polnisch@taz.de