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Archiv-Artikel

folgen des attentats Den Nutzen haben die Nationalisten

Der Mordanschlag auf den serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjić zeigt, wie instabil die Verhältnisse auf dem Balkan und insbesondere in Serbien sind. Zoran Djindjić war einer der wenigen Politiker der Region, die versuchten, die Verhältnisse zu ordnen. Er wollte sein Land modernisieren, er wollte in Serbien eine Demokratie entwickeln, er wollte es nach Europa zurückführen. Und war mutig genug, dies auch gegen große Widerstände in seiner eigenen Gesellschaft zu tun.

Kommentarvon ERICH RATHFELDER

Djindjić hat den serbischen Reformprozess sehr persönlich gestaltet – darum ist er nicht einfach zu ersetzen. Die verwickelte Lage in Serbien, Montenegro und im Kosovo wird mit seinem Tod noch schwieriger. Denn die nationalistische Rechte verliert einen ihrer wichtigsten Gegenspieler, einen Mann, der durchaus Macht zu gebrauchen wusste. Djindjić war es, der den serbischen Nationalisten im Kosovo und in Bosnien die Machtmittel des Milošević-Staates versagte, sie zu Verhandlungen und zivilem Verhalten aufrief. Doch indem er ihnen entgegenkommen wollte und von der internationalen Gemeinschaft die Teilung Kosovos und Bosniens forderte, legte er zuletzt selbst wieder die Lunte an das Pulverfass des Nationalismus.

In Bosnien hat seine Position großes Aufsehen erregt und die Spannungen wieder steigen lassen. Denn Grenzen verändern zu wollen, kann auf dem Balkan zu fürchterlichen Konsequenzen führen. Auch in Montenegro war sein Stern verblasst, weil er mit den Politikern, die eine Unabhängigkeit des Landes anstreben, eine Schaukelpolitik betrieb.

Dennoch bot allein er die Garantie dafür, dass die Dinge nicht aus den Fugen geraten. Sein Nachfolger müsste wie er in der Lage sein, viele gleichzeitige Machtkämpfe miteinander zu verknüpfen und diese Auseinandersetzungen durchzustehen. Stattdessen geht Serbien, so scheint es jetzt, neuen Diadochenkämpfen entgegen.

Auch im restlichen Exjugoslawien wird die allgemeine Lage unsicherer. Die nationalen Fragen bleiben ungeklärt, die dringend nötigen Auseinandersetzungen über die jüngste Geschichte unterbleiben, über die Schuld an den Massakern des Krieges wird weiter geschwiegen. Besonders fatal ist, dass gerade jetzt – wegen des Irakkrieges – die internationale Gemeinschaft Risse bekommen hat. In der ganzen Region dient sie immer noch als Garant der Stabilität. Doch ohne starke Politiker, mit der sie konstruktiv zusammenarbeiten kann, ist auch sie überfordert.